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Stichwort: Tunesien

18. Januar 2011

Im Urlaubsparadies Tunesien protestieren die Menschen gegen die Regierung von Staatspräsident Ben Ali. Es sind nicht die ersten unruhigen Zeiten, die das Mittelmeerland erlebt.

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Die tunesische Fahne: eine rote Mondsichel und Stern auf weißem Kreis vor rotem Hintergrund (Foto: dpa)
Die Fahne der Tunesischen RepublikBild: DPA

In der Antike war die Mittelmeerregion des heutigen Tunesiens Hauptsitz der punischen See- und Handelsmacht. Deren Hauptstadt Karthago lag nahe der heutigen Hauptstadt Tunis. Im 2. Jahrhundert vor Christus zerstörten die Römer Karthago, zerschlugen das punische Imperium und machten das Gebiet zu einem Teil des Römischen Reiches. Nach Eroberungen durch die Araber und einer kurzen kulturellen wie wirtschaftlichen Blütezeit im 13. Jahrhundert kamen im 16. Jahrhundert die Türken und das Gebiet im Norden Afrikas wurde osmanische Provinz.

Französische Kolonialzeit

In jüngster Vergangenheit spielten die Franzosen in der Geschichte Tunesiens eine entscheidende Rolle: Von 1881 bis 1956 stand das Land unter französischem Protektorat. Das Nationalbewusstsein der tunesischen Bevölkerung nahm jedoch beständig zu und mit ihm die Rufe nach Unabhängigkeit. Am 20. März 1956 war es dann soweit: Tunesien wurde eine souveräne Republik.

Die französische Vergangenheit ist aber auch heute noch überall im Land zu spüren: Die Landessprache ist zwar Arabisch, nach wie vor sprechen jedoch viele der derzeit 10,4 Millionen Tunesier französisch.

Gute wirtschaftliche Lage, aber hohe Arbeitslosigkeit

Ein Vergleich mit den beiden anderen Maghreb-Staaten, Algerien und Marokko, zeigt: Tunesien geht es aus wirtschaftlicher Sicht für afrikanische Verhältnisse sehr gut. Das Wirtschaftswachstum lag nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin 2009 bei 3,1 Prozent. 2010 zog es noch einmal deutlich auf 4,8 Prozent an. Das Land lebt dabei vor allem vom Erdöl- und Phosphatexport sowie der Tourismusindustrie.

Tunesien gilt als ein Schwellenland mit einer breiten Mittelschicht. Nur 3,8 Prozent der Tunesier leben unter der Armutsgrenze. Das Durchschnittsjahreseinkommen liegt pro Kopf bei umgerechnet rund 3.800 US-Dollar und ist damit nach Libyen das höchste in Nordafrika, so die Statistik des Auswärtigen Amtes.

Massendemonstration junger Tunesier gegen die Regierung (Foto: AP)
Zu Tausenden demonstrieren die Tunesier gegen die Regierung in TunisBild: AP

Probleme gibt es dagegen beim Arbeitsmarkt. Nach offiziellen Angaben lag die Arbeitslosenquote 2010 bei 13,2 Prozent. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Zahl der Erwerbslosen deutlich höher liegt. Besonders betroffen sind dabei junge Tunesier mit einer guten Ausbildung. Sie waren es auch, die mit ihren Protesten gegen die Regierung in Tunis die jüngsten Unruhen im Land auslösten. Neben der hohen Arbeitslosigkeit prangern sie auch die hohe Inflation an, die mit mehr als 13 Prozent besonders die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen ließ.

Die Regierung unter Ben Ali

Die jüngsten Proteste und Unruhen in Tunesien richten sich in erster Linie gegen die autoritäre Regierung unter Präsident Zine el Abidine Ben Ali. Dieser regiert das Land seit 1987. Er ist nach seinem Amtsvorgänger Habib Bourguiba erst der zweite Präsident des Landes. Noch 2009 erhielt Ben Ali bei den Wahlen für seine fünfte Amtszeit 89 Prozent der Stimmen. Allerdings gibt es im Land keine effektive Opposition. Die Partei des Präsidenten Rassemblement Constitutionnel Démocratique dominiert seit 1964 das politische Leben in Tunesien. Neben ihr gibt es nur noch drei kleine Parteien: das Demokratische Forum für Arbeit und Freiheit, die Demokratische Volkspartei und die Partei Etadjid. Diese erhalten jedoch keinerlei öffentliche Gelder und werden zudem von den staatlich gelenkten Medien weitestgehend ignoriert.

Der Tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali. (Foto: AP)
Die Demonstranten fordern seinen Abgang: Der tunesische Präsident Zine el Abidine Ben AliBild: AP

Amnesty International beklagt in seinem aktuellen Report, dass Menschenrechtler in Tunesien unter strenger Überwachung stehen und von den Behörden schikaniert und eingeschüchtert werden. Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung werde insbesondere im Bereich der Medien von der Regierung in Tunis massiv eingeschränkt, sagt Amnesty International. Die Organisation Human Rights Watch berichtet zudem, dass auch die Gewerkschaften im Land unter strenger Kontrolle stehen. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International rangiert Tunesien mit 4,3 von zehn möglichen Punkten, ähnlich wie die Türkei (4,4) und die Slowakei (4,3), im Mittelfeld der insgesamt 178 erfassten Staaten.

Autorin: Tanja Schmidt (dapd, dpa)

Redaktion: Dirk Eckert