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Soziales Rauchen

Christian Henkes29. März 2006

Die EU-Kommission kämpft gegen das Rauchen, vor allem mit Wortgewalt. Das Geld lässt man lieber den Tabakfarmern. Ein bisschen soziale Verantwortung muss schon noch sein.

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Die Sonne über dem Mittelmeer bescheint die Tabakfelder Griechenlands, Italiens und Spaniens mit wärmenden Strahlen. Noch besser gedeiht das empfindliche Rauchkraut durch den warmen Geldregen aus Brüssel. Etwa 2,7 Millionen Euro Agrarsubventionszahlungen werden auf den Tabakfeldern vergraben. Nicht jedes Jahr, sondern jeden Tag. Eine sichere Bank. Sich nach Alternativen umzusehen, haben die Tabakfarmer nicht nötig. Auf Jahre hinaus sind die Zahlungen garantiert und festgeschrieben.

Das Gute im Raucher

So sicher wie die Zahlungen ist auch der wortgewaltige Protest der für Gesundheit, Verbraucherschutz und Wellness zuständigen EU-Kommissare. Hunderttausendfachen Tod und Verderben bringen die Zigaretten über Europa und seine Bürger. Vergleiche zu Seuchen werden bemüht, selbst die Verkehrstoten werden mit Vergleichen in ihrer Ruhe gestört. Anlass genug, die Zigaretten zu verbieten, weil sie süchtig machen und tödlich sein können, gäbe es nach Lektüre der besorgniserweckenden Untersuchungen genug.

Doch in allen nationalen Haushalten sind die Steuereinnahmen aus dem staatlich kontrollierten Drogenhandel fest eingeplant. Raucher qualmen nicht nur für den Schuldenabbau des Staates, sie sorgen auch noch für eine Entlastung der Rentenkassen, weil sie im Schnitt früher sterben als Nichtraucher. Raucher sind also nicht nur gesellige Wesen, sondern auch überdurchschnittlich sozial engagiert. Und zum Dank drängt man sie immer weiter ab, in schlecht belüftete Nichtraucherzonen, vor die Tür ins Nasse und Kalte, in kleine Reservate im Abseits.

Kohlenmonoxidgehalt der Europäer

Trotzdem entrichten die meisten einen ordentlichen Extra-Obolus für den Staat. Und wenn sie ausnahmsweise die Kippen auf dem Schwarzmarkt erstehen, geben sie zumindest dem sozial benachteiligten illegalen Ausländer eine Beschäftigungsmöglichkeit. Zum Dank müssen sie jetzt im Rahmen der EU Aktion www.help-eu.com ins Röhrchen pusten. Nein, es geht nicht um Rauchen in Tateinheit mit Trinken, dem zweiten Lieblingsfeind besonders der skandinavischen Politiker, sondern um die Kohlenmonoxidanalyse.

In kleinen blauen Zelten sollen die Europäer feststellen wie viel sie davon im Blut haben. In jedem Land geht ein Zelt auf Reisen. Die achtzig Millionen Deutschen müssen also etwas länger anstehen als die dreihunderttausend Malteser. Wo wir grad bei Zahlen sind. Die ganze Kampagne mit schicken TV-Spots, Anzeigen, Website, Wanderzelten und tollen Umhängebändchen kostet die nächsten vier Jahre jährlich im Schnitt 18 Millionen Euro. Das ist in etwa soviel, wie die mediterranen Tabakbauern in nur einer Woche an Subventionen verbuddeln.

Und sollte es mit den Tabaksubventionen doch einmal zu Ende gehen, bekommen die Tabakfarmer bestimmt eine Beihilfe für den Bau von naturnahen Eselsreitwegen. Durchgestylte Infocenter in den entlegenen ehemaligen Anbaugebieten werden einst nicht vorhandene Touristenmassen über die Kultur des Tabakanbaus informieren. Ich überlege ob ich nicht aus sozialer Verantwortung sofort mit dem Rauchen beginnen sollte. 34 Jahre - Da ist es noch nicht zu spät, um anzufangen.