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Neuer Siemens-Skandal

28. März 2007

Siemens kommt nicht zur Ruhe: Mit Europachef Johannes Feldmayer ist nun ein Zentralvorstandsmitglied verhaftet worden. Nach Zeitungsberichten wird zudem gegen einen früheren Aufsichtsratsvorsitzenden ermittelt.

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Festgenommen: Siemens- Vorstandsmitglied Johannes Feldmayer
Siemens- Vorstandsmitglied Johannes FeldmayerBild: AP

Gegen Siemens-Europachef Johannes Feldmayer ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wegen des Verdachts der Untreue zum Schaden des Konzerns. Der 50-jährige Manager sei am Dienstag (27.3.07) in München im Zuge einer neuen Durchsuchungsaktion verhaftet worden, sagte ein Siemens-Sprecher. "Wir sind weiter an einer umfassenden Aufklärung interessiert und kooperieren voll mit der Staatsanwaltschaft."

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bestätigte eine Verhaftung sowie Ermittlungen gegen mehrere Mitarbeiter der Siemens AG. Die Beschuldigten seien im Zusammenhang mit den Zahlungen an eine Unternehmensberatung "aus der Sicht der Staatsanwaltschaft verdächtig, sich der Untreue zum Nachteil der Siemens AG schuldig gemacht zu haben", hieß es in einer Mitteilung.

Kein Zusammenhang zur Schmiergeld-Affäre

Mit der Verhaftung Feldmayers hat die Krise bei Siemens einen neuen Höhepunkt erreicht. Bisher waren die ehemaligen Vorstände Thomas Ganswindt und Heinz-Joachim Neubürger in die Siemens-Affäre verwickelt. Ganswindt saß dabei vor Weihnachten - wie nun Feldmayer - in Untersuchungshaft. Der Großteil der Affäre dreht sich um mögliche Unregelmäßigkeiten in der früheren Siemens-Festnetzsparte. Die Festnahme Feldmayers steht in Zusammenhang mit den Ermittlungen zur Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte (AUB), die von Siemens mit Millionenzahlungen als Gegengewicht zur IG Metall unterstützt worden sein soll. Einen Zusammenhang mit der Schmiergeld-Affäre gibt es offenbar nicht.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" wird nun auch gegen den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Karl-Hermann Baumann ermittelt. Siemens-Vorstand Feldmayer, Baumann und weitere Führungskräfte sollen dafür verantwortlich sein, dass der bisherige AUB-Vorsitzende und frühere Siemens-Betriebsrat Wilhelm Schelsky seit 2001 fast 34 Millionen Euro Beraterhonorare erhalten haben, ohne angemessene Gegenleistungen zu erbringen.

Gewerkschaft AUB will sich neu ausrichten

Schelsky, der in Untersuchungshaft sitzt, trat am Dienstag als Bundesvorsitzender der AUB zurück. Mit Siemens hatte er Verträge über Beratung, Training und Schulungen für Mitarbeiter und Betriebsräte geschlossen. Nachdem Schelsky sich selbstständig gemacht hatte, übernahm er nach früheren Siemens-Angaben auch zahlreiche Outsourcing-Dienstleistungen für das Unternehmen. Unterschrieben wurde der Vertrag den Angaben zufolge von Feldmayer.

"Vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Wochen wird sich die AUB neu ausrichten", teilte die stellvertretende AUB-Bundesvorsitzende Ingrid Brandt-Hückstädt am Dienstag mit. Die AUB wurde von Siemens-Betriebsräten als bislang gewerkschaftsfern und dem Siemens-Management nahe stehend beschrieben. Die AUB sieht sich in die Affäre nicht verwickelt. Die Vorwürfe richteten sich nicht gegen die AUB, sondern gegen Schelsky als Privatperson, erklärte Brandt-Hückstädt.

Außerplanmäßige Beratungen der Konzernspitze

Nach der Verhaftung Feldmayers will der Siemens-Aufsichtsrat nach "Handelsblatt"- Informationen am Mittwoch außerplanmäßig über die Lage des Unternehmens beraten. Dies sei in Aufsichtsratskreisen bestätigt worden. Offiziell gehe es dabei um den geplanten Börsengang der Autozulieferersparte VDO. Dem Vernehmen nach solle dabei aber auch die schwierige Lage zur Sprache kommen, in die der Elektrokonzern mit der Verhaftung von Europa-Chef Feldmayer gekommen sei, heißt es.

Der Finanzexperte Wolfgang Gerke hat die Verhaftung in einem Interview mit der "Deutschen Welle Fernsehen" als einen immensen Imageschaden bezeichnet, der über Siemens hinausgeht. "Siemens ist ein hervorragend arbeitender Weltkonzern, ist innovativ. Aber international ist es keine Entschuldigung, dass man sagt, den anderen Unternehmen passiert so etwas auch. Das schädigt das Image von Siemens nachhaltig." Hier sei, sagte Gerke zu DW-TV, offensichtlich auf höchster Managementebene etwas gedeckt worden, wo man mit Geld versucht habe, Mitarbeiter wohlwollend, gefügig zu machen. "Das ist nicht akzeptabel. Das schädigt die deutsche Wirtschaft nach außen."

Verdächtige Zahlungen von 420 Millionen Euro

Laut bisherigen Ermittlungen soll im Rahmen der gesamten Schmiergeldaffäre eine Gruppe von teils ranghohen Siemens- Mitarbeitern mindestens 200 Millionen Euro unterschlagen und im Ausland als Schmiergeld eingesetzt haben. Siemens selbst geht sogar verdächtigen Zahlungen von bis zu 420 Millionen Euro nach. Im Zuge der Affäre hat es bereits zahlreiche Durchsuchungsaktionen gegeben. Am Dienstag wurden nun erneut Standorte in München, Nürnberg und Erlangen durchsucht. (tos)