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Schlicht, aber von hoher Qualität

Christian Erdei24. Oktober 2008

Ungarn ist für den süßen Tokajer Dessertwein berühmt. Es gibt aber weitere 21 Weingegenden. Kleinere Weingüter setzen auf Qualitätsweine statt große Mengen. So auch in einem Gebiet, wo ein besonderer Weißwein wächst.

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Ein Winzer schneidet bei der Weinlese in Zell an der Mosel Trauben von einer Rebe ab
Moor-Weine sind schlicht im AuftrittBild: picture-alliance / HB Verlag

Zwischen dem See Balaton und Budapest, auf kleinen Hügeln mit Löß- und Sandböden wachsen die Trauben "Tausendgut". Die Weingegend heißt Moor, benannt nach der Kleinstadt am Fuße dieser Hügel. Mit einer Anbaufläche von 730 Hektar gehört sie zu den kleineren Weingebieten Ungarns.

Tausendgut aus Ungarn

Sorten wie Traminer, Rieslingsilvaner, Königstochter, Grüner Veltliner und Chardonnay werden hier angebaut. Und eben auch der "Tausendgut" – ungarisch "Ezrerjó".

Weinexperte László Zsoldos nimmt eine Flasche des Weißweins unter die Lupe. "Das Etikett ist schlicht und einfach. Nichts deutet auf etwas Herausragendes hin", sagt er. "Ein Nachteil, denn das Auge kauft ja mit. Aber der Korken ist nicht aus Plastik. Das ist positiv und bei mir ein Merkmal der Qualität."


Ein Hauch von Schwefel


Den Schraubverschluss einer Weinflasche öffnet der Winzer Stephan Stauder (4.08.2003)
Ein echter Korken wäre ein QualitätsmerkmalBild: dpa

Zsoldos ist nicht der erste, dem die Schlichtheit der Moor-Weine gefällt. "Tausendgut" wird in vielen Weingütern angebaut. In den kühlen, verzweigten Gängen ihres Weinkellers lagert die Familie Varga den edlen Tropfen in großen Eichenfässern.

Darauf steht mit Kreide geschrieben Jahrgang, Hanglage, und Alkoholwert des Weins. Jungwinzer Máté Varga führt das Gut gemeinsam mit seinem Vater.

"Der Wein gärt zuerst in Metallcontainern", erklärt er. "Danach wird der Wein gefiltert, und dann in diese Fässer gefüllt. Hier bekommt er seine Reife und seinen edlen Geschmack." Máté Varga prüft den Wein. Er besitzt eine schöne helle Farbe und verströmt einen angenehmen Obst- und Blütenduft, dazu einen Hauch von Schwefel.

Facettenreich und vielfältig

Weinkeller
Im Weinkeller lagert der edle Tropfen in großen EichenfässernBild: DWI

Das eigenartige Aroma fasziniert nicht nur Weinkritiker, sondern auch Tamás Tálos. Er ist der Großmeister des Weinritterordens Heiliger Lorenz von Brindisi, ein Verein von Winzern und Weinliebhabern, der Werbung für den Moorer Wein macht. In seiner Vereinsuniform sieht er aus wie ein Mönch des Kapuzinerordens.

Kapuzinermönche und deutsche Kolonialisten haben im 18. Jahrhundert neue Rebsorten und Anbautechniken nach Moor gebracht. Bis ins 19. Jahrhundert hinein erfuhr der Moorer Wein seine Blütezeit. Er stand sogar auf dem Tisch der Habsburger Kaiserfamilie in Wien.

Doch Tamás Tálos brauchte Zeit, sich mit dem Weißwein anzufreunden, denn ursprünglich kommt er aus einem Rotweingebiet in Ungarn, aus Sopron. "Als ich den Wein in Moor zum ersten mal gekostet habe, habe ich mich gefragt wie man ihn trinken kann", erinnert er sich.

Ein echter Weltchampion

"Heute nach 40 Jahren muss ich aber sagen, dass es keinen besseren Wein gibt." Er habe so viele Facetten und lebe von seiner Vielfalt. Wenn der Tausendgut fachgerecht behandelt werde, könne er es mit jedem Wein der Welt aufnehmen.

Wiedergeburt des Moorer WeinsDas Klima in Moor ist gut. Deshalb kann man aus dem "Tausendgut" – wie aus dem Tokajer – einen sogenannten "Ausbruchwein" oder Qualitätswein machen. In Ungarn nennt man ihn "Aszú".

Vergebliche Regalsuche

Weinernte am Rhein (17. September 2004/AP)
Viel Arbeit und Entschlossenheit ist gefordertBild: AP

Doch trotz der hohen Qualität haben es die Moorer Winzer nicht leicht. Denn ihre Weingüter sind sehr klein. Bislang können sie keine großen Mengen für den Verkauf anbieten. Deshalb findet man auch kaum einen Wein aus der Region in den örtlichen Supermarktregalen.

Großmeister Tamás Tálos fordert mehr Zusammenarbeit. "Die Winzer müssten sich zusammenschließen, wir brauchen eine Allianz", sagt er. "Wenn sie gemeinsam eine Marketingstrategie entwickeln, wenn sie zusammen die nötigen Mengen liefern können, dann hat der Moorer Wein das Potenzial einer der besten und bekanntesten Weine Europas zu werden."

Männlich und kräftig


Eine Wiedergeburt des Moorer Weins könnte kurz bevorstehen. Denn junge Winzer wie Maté Varga wollen mehr mit ihren Nachbarn kooperieren. "Ich hoffe, dass wir junge Winzer den alten Ruhm des Moorer Weins wieder beleben können", sagt er.

"Es wird viel Arbeit sein, und viel Ausdauer und Entschlossenheit bedürfen. Aber wir werden kämpfen, aber nicht nur für den Profit, sondern für ein edles Ziel." Ein edles Ziel, für einen edlen Tropfen? Das Urteil des Weinkritikers Zsoldos jedenfalls lautet: "Kräftig, männlich mit einer tiefen aber geschmeidigen Säure. Einfach aber gut.