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Saudi-Arabien: Zwischen Mittelalter und Moderne

18. Januar 2011

Petrodollars und Heilige Stätten, Luxus und Puritanismus – in Saudi-Arabien prallen Gegensätze aufeinander. Weitere Herausforderungen des Landes: die Machtansprüche des Iran und der Terrorismus.

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Tradition und Fortschritt
Tradition und FortschrittBild: AP

Zunächst ein paar Fakten: Saudi-Arabien umfasst den größten Teil der arabischen Halbinsel mit dem Roten Meer im Westen und dem Arabisch-Persischen Golf im Osten. Von den rund 25 Millionen Einwohnern sind an die 7 Millionen Ausländer, vor allem Gastarbeiter aus ärmeren Ländern Asiens und Afrikas.

Saudi-Arabien verfügt über 25 % der weltweit bekannten Rohölvorkommen. (AP Photo/Hasan Jamali)
Saudi-Arabien verfügt über 25 % der weltweit bekannten Rohölvorkommen.Bild: AP

Das Land lebt weiterhin bestens vom Öl: Es verfügt über 25 Prozent der weltweiten Vorkommen, rund 90 Prozent der gesamten Staatseinnahmen stammen aus dem Ölgeschäft.

Geopolitisch ist Saudi-Arabien aber nicht nur wegen der größten Ölreserven weltweit von Bedeutung - sondern auch symbolisch, weil der Islam dort seinen Ursprung hat.

Denn Mekka ist die Geburtsstadt des Propheten Mohammed und die heiligste Stätte des Islam. Dort befindet sich die Heilige Moschee, die Al-Haram-Moschee, mit der Kaaba, dem schwarzen Würfel. Sie stellt für die Muslime das Haus Gottes dar.

Die Flage von Saudi-Arabien (Foto: Oliver Berg +++(c) dpa - Report+++)
Die Flage von Saudi-ArabienBild: picture-alliance/dpa

Mekka ist jedes Jahr Ziel für rund 3 Millionen Pilger. Medina ist die zweitheiligste Stätte des Islam - hier befindet sich die vom Propheten Mohammed errichtete Moschee. Beide Städte dürfen von Nicht-Muslimen nicht betreten werden.

Die Nationalflagge bringt das saudische Selbstverständnis auf den Punkt: Auf einem Tuch in Grün - der Farbe des Islam - ist das islamische Glaubensbekenntnis, die Schahada, dargestellt. Der Text lautet: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammad ist sein Prophet.“ Das darunter abgebildete Schwert symbolisiert, dass sich die Saudis als Hüter der heiligen Stätten in Mekka und Medina verstehen.

Zwischen Wahhabismus und Moderne

Die Hauptstadt Riad
Die Hauptstadt RiadBild: www.eid.gov.sa

Die Saudis sind – wie die meisten Muslime weltweit - Sunniten, im Gegensatz zu den Schiiten, die im Iran, aber zum Beispiel auch im Irak und in Bahrain dominieren. Unter den Sunniten selbst gibt es jedoch ebenfalls unterschiedliche Strömungen. Die Saudis sind Wahhabiten und folgen damit einer sehr strikten Ausrichtung des Islam.

Land ohne Bürgerrechte

Saudi-Arabien ist eine der letzten absoluten Monarchien weltweit. Es gibt keine formelle Verfassung, kein Parlament, keine Trennung der drei Staatsgewalten. Parteien sind nicht zugelassen, Gewerkschaften existieren nicht, es gibt keine unabhängige Rechtssprechung. Das Strafrecht folgt der Scharia, dem islamischen Recht. Bis heute gibt es öffentliche Bestrafungen und sogar Hinrichtungen. Es gibt keine freie Presse, keine Kinos, keine Konzerte ohne vorherige ausdrückliche Genehmigung. Eine Garantie von Bürger- und Menschenrechten im klassischen Sinne, etwa verfassungsmäßig verankerte Grundrechte, sucht man vergeblich.

Mit Handy und Turnschuhen (+++(c) dpa - Report+++)
Mit Handy und TurnschuhenBild: picture alliance/dpa

Die strenge Auslegung des Islam hat eine strikte Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit zur Folge. Das führt dazu, dass der Zugang zum öffentlichen Leben für Frauen eingeschränkt ist. – und wenn, dann nur verhüllt mit dem langen Mantel Abaya und dem Kopftuch Tarha. Etliche Frauen vor allem im Landesinnern tragen sogar einen Ganzkörperschleier mit verhülltem Gesicht und Handschuhe. Frauen dürfen sich nicht allein in der Öffentlichkeit bewegen und nicht Auto fahren. Sie unterstehen Zeit ihres Lebens der Vormundschaft eines männlichen Verwandten oder ihres Mannes. Immer wieder gibt es sogar Berichte über Zwangsverheiratungen von Mädchen im Kindesalter mit deutlich älteren Männern.

Vorsichtige Demokratisierung von oben

König Abdullah (+++(c) dpa - Bildfunk+++)
König AbdullahBild: picture-alliance/dpa

Es gibt aber auch Reformen. Verantwortlich dafür ist der 86-jährige König selbst: König Abdullah. Seit er 2005 die Regentschaft übernommen hat, ist er dabei, Wirtschaft, Verwaltung, Bildung und Justiz zu modernisieren. Doch auch wenn der König eine scheinbar uneingeschränkte Machtbefugnis hat, so muss er das Kräfteverhältnis zwischen Traditionalisten und Reformern behutsam austarieren. Im Ergebnis verfolgt König Abdullah den Kurs einer langsamen Öffnung mit behutsamen Schritten in Richtung mehr Demokratie. Er hat Frauen den Berufseintritt erleichtert und versucht, die Geschlechtertrennung zu lockern. Mit aller Vorsicht, denn neben Reformern gibt es eine islamistische Opposition, die den luxuriösen Lebensstil der Königsfamilie und das enge Bündnis mit den USA kritisiert.

Anschlag auf ein Gebäude der Sicherheitsbehörden in Riad 2004 (AP Photo/Okaz)
Anschlag auf ein Gebäude der Sicherheitsbehörden in Riad 2004Bild: AP

Darüber hinaus gibt es in Saudi-Arabien eine militant-extremistische Untergrundszene. Die meisten Attentäter des 11. September 2001 waren Saudis, Osama bin Laden ist ursprünglich saudischer Staatsbürger, der saudisch-jemenitische Ableger der Al Qaida gilt als sehr gefährlich. Saudische Terroristen tragen den Terror nicht nur in die Welt, sondern sie haben seit 2003 auch in Saudi-Arabien selbst Anschläge verübt, bei denen Hunderte Menschen ums Leben kamen.

Im Kampf gegen den Terror haben die Saudis zuletzt zumindest bei ihren westlichen Partnern gepunktet: Die entscheidenden Tipps zur Auffindung der aus dem Jemen stammenden Paketbomben, die Ende Oktober einen weltweiten Terroralarm ausgelöst hatten, kamen wohl vom saudischen Geheimdienst. Ihm ist offenbar das gelungen, was nach bisheriger Erkenntnis noch keinem anderen Geheimdienst gelungen ist, nämlich einen Agenten in die El-Kaida zu schleusen.

Herausforderung Iran

Äußerst gespannt ist das Verhältnis Saudi-Arabiens zum Iran. Beide Länder streiten um die politische und religiöse Vormachtrolle in der Region. Riad erhält dabei Unterstützung aus Washington: Beide Länder sehen im Iran einen potentiellen Aggressor und sorgen sich, dass Teheran den Sprung zur Nuklearmacht schaffen könnte. Zuletzt wurde in diesem Zusammenhang ein geplanter Waffendeal zwischen den USA und Saudi-Arabien im Wert von mehr als 60 Milliarden Dollar bekannt.

Autorin: Birgit Görtz
Redaktion: Rainer Sollich