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Rückblick: Rock & Pop 2001

23. Dezember 2001

Altstars neben Comebacks und Newcomern: Das vergangene Musikjahr hatte es in sich.

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No Angels: Popstars aus der FernsehretorteBild: polydor

2001 wird als Krisenjahr in die Annalen eingehen, in dem die
Industrie angesichts eingebrochener Umsätze nicht immer
verbraucherfreundliche Maßnahmen gegen die neue Form des "Schwarzbrennens" beschloss. Ob die diversen seit der zweiten Jahreshälfte eingeführten Kopierschutzsysteme die CD-Verkäufe wieder steigen lassen, wird nach dem Schock des 11. Septembers wohl erst das neue Jahr zeigen.

Überschattet wurde das Musik-Jahr 2001 auch von mehreren
Todesfällen. Die Sängerinnen Aaliyah und Melanie Thornton starben bei Flugzeugabstürzen. Der frühere Beatles-Gitarrist George Harrison erlag am 29. November einem Krebsleiden. Traurig und schön zugleich: Der Erfolg von Eva Cassidy. Ihr Album "Songbird" erreichte die Charts - fünf Jahre nachdem die Sängerin im Alter von 33 Jahren an Hautkrebs gestorben war.

2001 war auch das Jahr, in dem harte Rock-Musik unter der
Bezeichnung Nu-Rock wieder in großem Umfang hitparadenfähig wurde. Über allem strahlt der Stern von Limp Bizkit. Die Band um den charismatischen Frontmann Fred Durst brachte es sowohl mit ihrem Album "Chocolate Starfish and the Hotdog Flavored Water" als auch mit dem Remix-Album "New Old Songs" ganz nach oben in den Charts und
kassierte zudem reichlich Auszeichnungen. Im Fahrwasser von Limp Bizkit kamen auch Bands wie Crazy Town, Linkin Park oder Staind zum Erfolg. Sogar das eher schwer-verdauliche Album der amerikanischen Metalband Tool erreichte Spitzenpositionen in den Charts.

Zeichentrickband Gorillaz überrascht

Eher bescheiden dagegen die Erfolge der britischen Bands. In der Champions League der Musikinterpreten konnte sich neben Travis lediglich die animierte Comic-Band Gorillaz behaupten. Bei dem Projekt von Blur-Sänger Damon Albarn und Zeichner Jamie Hewlett traten die realen Musiker zurück hinter die Charaktere der Zeichentrick-Figuren, die in den Videos mit einem alten Jeep durch apokalyptische Landschaften rasten und dabei ihre krude und nicht offensichtlich massenkompatible Mischung aus Pop, HipHop,
Dub-Reggae, Punk und Latino zum besten geben.

Völlig auf den Geschmack der Massen ausgelegt waren dagegen die Fernseh-Klon-Bands. Das Reality-Fernsehformat "Popstars" verhalf jungen Talenten in zahlreichen Ländern zum Erfolg, in Deutschland den No Angels und Bro'Sis. Millionen von Zuschauern konnten die Entstehung der Bands begleiten vom Massen-Casting, der Endauswahl, der Ausbildung und den ersten Schritten auf der Bühne. Die
Musikindustrie zeigt, wie Popstars gemacht werden, und alle spielen mit. Nach dem Mega-Erfolg der No Angels schickt sich der Nachfolger Bro'Sis an, noch erfolgreicher zu werden.

Robbie Williams, Robbie Williams, Robbie Williams. Der ehemalige Teenie-Star und Fußballfan hat den Hattrick auf der Karriereleiter geschafft: Popstar, Entertainer, Swing-König. Mit dem lang anhaltenden Verkaufserfolg der Frank-Sinatra-Hommage "Swing When You're Winning" überstrahlt er die herausragenden Produktionen des Rockpop-Jahres 2001.

Der Boom am Neuen Markt für Boy- und Girlgroups ging dagegen zu Ende. Shaggy sampelte zwei Oldies zu einem Sommerhit. Destiny's Child stiegen zu Hip-Hop-Diven auf.

Erfolgreichste Tour-Acts waren Madonna, U2 und Depeche Mode. In der Dimension ihrer Arenen-Größen hielten neben Robbie Williams noch Rammstein, Roxette und Eric Clapton mit, der seine "Reptile"-Tour als seine letzte bezeichnete. Madonnas High-Tech-Produktion sorgte wie wenige andere Pop-Attraktionen wochenlang für Gesprächsstoff, U2's Rückkehr zu einer schlichteren Bühnenshow zeigte als
Kontrapunkt, dass weniger auch Mehr sein kann. Depeche Mode gaben wegen großer Nachfrage Zusatzkonzerte, Rammstein überzeugten mit gewohnt pyromanischem Spektakel ihre eingefleischten Fans. Per Gessle und Marie Fredriksson alias Roxette knüpften mit "Room Service" an alte Erfolge an.

Michael Jackson nur mit kurzfristigem Erfolg

Dem "King of Pop" gelang das nur bedingt. Erwartungsgemäß stieg Michael Jacksons lang erwartetes Album "Invincible" in vielen Ländern auf Platz eins der Verkaufscharts ein. Aber es wurde relativ schnell nach unten durchgereicht. Das nicht selten zu beobachtende Phänomen hängt damit zusammen, dass die Werke etablierter Künstler in einer ersten Phase zu Sonderpreisen angeboten werden. Danach werden die Alben spürbar teurer. Die meisten Fans kaufen deswegen in den ersten Tagen nach Veröffentlichung und das Album steigt hoch in die Charts ein.

So gelang auch deutschen Bands mit ausreichender Fan-Basis der Sprung von null auf eins: Rammstein, Pur, die mit großer Tour 20-jähriges Bandjubiläum feierten, auch Modern Talking und BAP, deren kölsches "Aw Un Zo" sogar zu einer Art deutscher Sommerhit aufstieg. Meistgespieltes und -gesummtes Sommerlied war aber Shaggys "Angel", in dem "Mr. Boombastic" wagemutig Steve Millers "Joker" mit "Angel In The Morning" vermischte.

Trost spendete nach den Anschlägen vom 11. September Enyas "Only Time". Altmeister Bob Dylan veröffentlichte nach seinem 60. Geburtstag ausgerechnet am Tag der Terroranschläge mit "Love And Theft" ein Meisterwerk zwischen Euphorie und Depression. Die letzten drei Monate des Jahres 2001 waren geprägt von zahlreichen, hochkarätig besetzten Benefizkonzerten für die Angehörigen der Opfer
der Anschläge.

Im Inferno von New York und Washington endete zugleich der Boom des Teenie-Pops. Backstreet Boys und 'N Sync nähern sich ohnehin der Boygroup-Altersgrenze, Westlife und O-Town versuchen in ihre Fußstapfen zu treten. Der Girl-Group-Markt vollzog eindeutiger den Umbruch: All Saints gingen im Streit auseinander, von den Spice Girls wird nach ihrem Flop mit "Forever" kein weiteres Album mehr erwartet. Atomic Kitten und Sugababes sind ihre britischen Nachfolger, neben den US-Diven von Destiny's Child wirken sie aber noch recht grün. Deren Album "Survivor" dominierte lange vor allem die amerikanischen Charts und damit den nach wie vor größten
Musikmarkt der Welt.

Power-Frauen und sanfte Töne

Dort tummeln sich noch weitere Power-Frauen: Mary J. Blige ("No More Drama") und Missy Elliott ("So Addictive") stehen an der Spitze des Trends eines erwachseneren, sprich stark erotisierten Pops. Britney Spears zog mit "I'm A Slave 4 U" nach, Christina Aguilera versuchte sich im "Moulin-Rouge"-Soundtrack als "Lady Marmelade" und sah dabei wie Chers Enkelin aus. Die große alte Dame des Pops selbst lieferte allerdings in diesem Jahr mit "Living Proof" nur den Beweis
ab, dass sie noch mit den Jungen mithalten kann. Ein beachtliches Comeback feierte die als Pop-Sternchen fast abgeschriebene Kylie Minogue mit "Fever", ganz oben etablierte sich Soul-Blues-Röhre Anastacia.

Newcomerin des Jahres war Soulsängerin Alicia Keys. Der Zögling von Star-Produzent Clive Davis begeisterte mit dem Song "Falling". Überraschend dagegen der Erfolg von Dido mit ausgesprochen sanften Tönen. Das ehemalige Mitglied der Dance-Formation Faithless profitierte auch davon, dass Rapper Eminem ein Sample ihres Songs "Thank You" für seinen Hit "Stan" verwendete und so kräftig Werbung für die Sängerin machte.