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"Russland ist zu einem Wettrüsten nicht in der Lage"

22. Februar 2007

Der Kreml kritisiert die US-Pläne für eine Raketenabwehr in Osteuropa. Die Position Moskaus bewertet der russische Militärexperte und Redakteur der Internet-Zeitung "www.ej.ru", Aleksandr Golz, im Gespräch mit DW-RADIO.

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Diskussion um RaketenabwehrBild: www.army-technology.com

DW-RADIO/Russisch: Moskau meint, das Argument Washingtons, eine Raketenabwehr in Europa würde sich gegen mögliche iranische oder nordkoreanische Angriffe richten, sei unsinnig, allein schon deswegen, weil jene Länder keine Raketen mit einer entsprechenden Reichweite besitzen würden. Was meinen Sie?

Aleksandr Golz: Es geht nicht darum, ob der Iran oder Nordkorea solche Raketen besitzen oder nicht. Sie könnten auftauchen. Es geht darum, dass die Amerikaner die Stationierung eines Raketenabwehrsystems angehen, noch bevor die notwendigen Tests absolviert wurden. Es gibt allen Grund, davon auszugehen, dass das amerikanische Raketenabwehrsystem in der Form, in der es aufgebaut werden soll, ineffektiv ist. Das bedeutet, dass die Amerikaner dies nur aus innenpolitischen Überlegungen heraus angehen. Es gibt mindestens zwei: Erstens will man zeigen, dass eine Idee umgesetzt wird, vielleicht die einzige Idee der Bush-Administration, die in den USA keine Proteste hervorruft – die Idee, das gesamte Territorium des Landes mit einer Raketenabwehr zu schützen. Zweitens wollen die USA zeigen, dass es in Europa Länder gibt, die bereit sind, Washington bedingungslos zu folgen.

Angeblich fürchtet der Kreml die Stationierung einer Raketenabwehr in Europa nur deswegen, weil das Pentagon dann russische Raketen schon beim Start abfangen könnte.

Das entspricht nicht den Tatsachen. Russische Experten haben schon oft erläutert, dass im Falle eines unbeabsichtigten gegenseitigen Atomschlags zwischen den USA und Russland die russischen Raketen nach Norden fliegen würden. Um dies zu verstehen, muss man nur auf die Landkarte schauen. Und die Raketenabwehr würde sich im Westen, in Polen, befinden. Da die heutige amerikanische Raketenabwehr voraussetzt, dass die Raketen im Weltraum abgefangen werden, wird das System physisch nicht in der Lage sein, die in Richtung USA fliegenden russischen Raketen einzuholen.

Präsident Wladimir Putin hat auf der Münchener Sicherheitskonferenz davor gewarnt, dass die USA der Welt ein neues Wettrüsten aufzwingen. Ist Moskau dazu in der Lage?

Russlands Raketen-Potential veraltet rasch. Wir legen jährlich etwa eine ganze Division strategischer Kräfte still und bekommen bestenfalls ein Regiment. Dabei handelt es sich sogar um eine Division schwerer Raketen mit acht bis zehn Sprengköpfen, und wir bekommen bestenfalls Raketen, die drei bis fünf Sprengköpfe tragen können. Das heißt, dass sich das russische Raketen-Potential verringert. Ich bezweifele, dass Russland in der Lage ist, sich an einem Wettrüsten zu beteiligen. Das ist meiner Ansicht nach alles nur Propaganda.

Das Gespräch führte Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 19.2.2007, Fokus Ost-Südost