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Russland braucht die Erfahrungen deutscher Atomexperten

4. Februar 2003
https://p.dw.com/p/3Ees

Köln, 3.2.2003, DW-WORLD / Russisch, Elli Osch

Im Mai 1967 wurde in der Lubminer Heide bei Greifswald unter Beteiligung sowjetischer Fachleute mit dem Bau des Atomkraftwerkes "KKW-NORD 1-4" mit einer Kapazität von 3520 Megawatt begonnen. Nacheinander sollten acht Reaktoren mit einer Stärke von jeweils 440 Megawatt in Betrieb genommen werden.

Keiner konnte damals wohl ahnen, dass 30 Jahre nach der Inbetriebnahme des ersten Reaktors (1973) deutsche Fachleute international über das größte Know-how beim Abbau hochradioaktiver atomarer Anlagen verfügen würden.

1990, als die Entscheidung getroffen wurde, das Kraftwerk Greifswald-Lubmin zu schließen, waren fünf Reaktoren in Betrieb, drei befanden sich in unterschiedlichem Baustadium und weitere vier Kernreaktoren waren geplant. Zu Zeiten der DDR waren 15 000 Menschen in dem Kernkraftwerk beschäftigt. Nunmehr sind 1500 Mitarbeiter von Energiewerke Nord GmbH (EWN) dabei, das größte stillgelegte Atomkraftwerk der Welt abzubauen. Die Kosten werden auf sechs Milliarden DM geschätzt.

Die einzigartigen Erfahrungen von EWN könnten als Impuls für die wirtschaftliche Entwicklung einiger Regionen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Russland dienen

Die einzigartigen Erfahrungen, die in Greifswald-Lubmin gesammelt worden sind, sind ein Kapital, dass der wirtschaftlichen Entwicklung einen Antrieb geben kann, und zwar nicht nur in der ostdeutschen Region Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch im russischen Murmansk. EWN-Direktor Dieter Rittscher erklärte, dass zur Zeit über einen Vertrag über die Beteiligung deutscher Fachleute beim Zerlegen von mindestens 120 Atom-U-Booten der russischen Flotte im Rahmen einer Vereinbarung der Länder der G-8-Staaten verhandelt werde. Der Vertrag soll bis zum Sommer 2003 unterzeichnet werden. Nach diesem Vertrag sollen Fachleute aus Greifswald in Murmansk ein Dock und eine Krananlage sowie Spezialvorrichtungen für die Zerlegung von U-Booten und die Beseitigung der Rückstände aus den hochradioaktiven U-Boot-Reaktoren errichten. Die EWN-Fachleute wären somit bis mindestens 2009 in Russland beschäftigt.

Allein für die Beseitigung der atomaren U-Boot-Rückstände werden nach russischen Schätzungen mindestens 300 Millionen Euro erforderlich sein. Die Gesamtkosten des Programms zur Verschrottung der russischen U-Boote, darunter für die Beseitigung der atomaren Abfälle, werden jedoch auf mindestens 2,2 Milliarden Dollar geschätzt.

An Arbeit wird es nicht fehlen. Zwischen 1995 und 1995 bauten die Atommächte 465 Atom-U-Boote

Und künftig wird man in der ganzen Welt damit beschäftigt sein. Nach Angaben von Greenpeace bauten die Atommächte USA, Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und China zwischen 1955 und 1995 insgesamt 465 Atom-U-Boote. Die meisten davon wurden auf russischen Werften gebaut: 125 in Sewerodwinsk, 56 in der Nähe von Komsomolsk, 39 in Petersburg, 25 in Nischnij Nowgorod. Schätzungen von Fachleuten zufolge sind 18 Atom-U-Boote ausrangiert worden. Russland kann mit eigenen Kräften lediglich drei bis sechs U-Boote jährlich zerlegen. Und bis 1988 wurden ausrangierte U-Boote einfach im Meer versenkt. An Bord eines jeden U-Bootes befanden sich in der Regel zwei Reaktoren mit 250 Brennelementen. In der Zeit, da ein U-Boot im Einsatz ist, verbraucht jedes davon 1500 Brennelemente. Auf den veralteten Spezialschiffen der russischen Nordmeer-Flotte allein sind zur Zeit 32 000 verbrauchte Brennelemente zu finden. Fachleute gehen davon aus, dass sich weitere 32 000 verbrauchte Brennelemente an Bord ausrangierter Atom-U-Boote befinden. (TS)