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Ein Palästinenser in Brüssel

Anja Koch11. März 2009

Ähnlicher Name, unterschiedliche Zielgruppen: Mit Erasmus können Studenten aus EU-Ländern in einem anderen EU-Land studieren. Mit "Erasmus Mundus" können Promotionsstudenten aus Nicht-EU-Staaten in der Union forschen.

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Der Grand Place in Brüssel im Abendlicht (Foto: Illuscope)
Drei Jahre lang darf Aissar in Brüssel forschenBild: Illuscope

"Was für Salat ist das? Ist da Alkohol drin? Nein? Okay, dann nehme ich es." Der Palästinenser Aissar Yassen holt sich in der Mensa der freien Universität in Brüssel sein Mittagessen. Ob das Essen Alkohol enthält, fragt er immer. Denn Aissar ist Muslim und richtet sich nach den Essensvorschriften des Islam - in Europa genau so, wie er es auch in seiner Heimat im Westjordanland getan hat.

Bessere Chancen mit europäischen Doktortiteln

Studenten sitzen in einer Bibliothek und arbeiten (Foto: Universiteit Maastricht)
Aissar gefällt vor allem der gute Zugang zu BüchernBild: Universiteit Maastricht

Seit einem Jahr ist Aissar Student an der Brüsseler Uni. Er schreibt an seiner Doktorarbeit in angewandten Sprachwissenschaften. Das "Erasmus Mundus"-Programm sei dabei eine große Hilfe, sagt er. "Ich kann in einem europäischen Land kostenlos mit einem Stipendium studieren. Außerdem habe ich eine Krankenversicherung und das Programm bietet einige Reisen an, zum Beispiel nach Frankreich, Deutschland und Luxemburg."

1500 Euro erhält Aissar im Monat. Die Chance auf einen Karrieresprung gibt es gratis dazu. In seiner Heimat gibt es kein Promotionsstudium für Sprachwissenschaftler. Aber ohne Doktortitel sind die Aufstiegschancen für einen Akademiker begrenzt. Mit einer europäischen Promotion sei man in Palästina immer willkommen, sagt Aissar.

Hoffnung auf bessere Verbindungen

Blick auf ein Haus im Westjordanland (Foto: DW)
Bei seiner Rückkehr ins Westjordanland bringt Aissar mehr mit als nur einen TitelBild: DW

An einen Studenten wie Aissar haben die Experten der Europäischen Kommission gedacht, als sie "Erasmus Mundus" entwarfen. Das Programm richtet sich vornehmlich an Master- und Promotionsstudenten und soll vor allem junge Menschen aus Ländern außerhalb der EU nach Europa locken.

950 Millionen Euro stellt die EU dafür in den kommenden fünf Jahren zur Verfügung. Das Budget wurde damit fast vervierfacht. "Die EU will diese Länder bei ihrer Entwicklung unterstützen, vor allem bei der Bildungsstruktur", erklärt Vito Borrelli, der Programmmanager. Außerdem wolle die EU bessere Verbindungen zu Nicht-EU-Ländern knüpfen. "Der beste Weg dafür ist, die zukünftige Führungsriege dieser Länder hier in Europa auszubilden."

Mit akademischem Wissen und Erinnerungen zurück ins Westjordanland

Logo des International Exchange Erasmus Student Network (ESN)
Mit Erasmus ein Semester lang an einer anderen Uni studierenBild: DW

Ausgewählt werden die Studenten meist nach Leistung und Kenntnissen. Im Schnitt bewerben sich sieben Akademiker um ein Stipendium. Aissar war an seiner Uni der einzige Kandidat. Es sei eine tolle Chance, denn vor allem das Forschen sei in Brüssel viel angenehmer als im Westjordanland, erzählt er. Die Bibliothek sei mittlerweile sein zweites Zuhause geworden. "Hier ist alles verfügbar, man hat guten Zugang zu Büchern und Zeitschriften", sagt Aissar.

Für insgesamt drei Jahre finanziert die Europäische Kommission das Studium von Aissar. Bis dahin hofft er, seine Promotion abgeschlossen zu haben. Danach gehe er zurück ins Westjordanland. Schließlich sei es ja auch Ziel des Programms, dass er in seine Heimat weiter trage, was er in Europa gelernt habe. "Zusätzlich zu den akademischen Fortschritten nehme ich vor allem eins mit zurück: Erinnerungen. Erinnerungen an Menschen, die ich hier getroffen habe, aber auch an kulturelle Dinge, die ich gelernt habe. Freiheit zum Beispiel und Mobilität."