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Reich und arm

16. Oktober 2011

Wer in Deutschland reich ist, bleibt es auch. Wer arm ist, hat kaum Chancen, der Armut zu entfliehen. Mehr Bildung könnte daran etwas ändern. Das sagen die Autoren des alle zwei Jahre vorgelegten Sozialberichts.

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Eine mit kostbarem Schmuck beringte Hand greift nach einem Bündel Geldscheine (Foto: dpa)
Manche haben's, andere nicht ...Bild: dpa - Bildfunk

Diese Verhärtung der sozialen Fronten findet statt vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, deren durchschnittlicher Wohlstand wächst. Ein Auto, ein Geschirrspüler, ein Fernseher, und ein Handy zählen in Deutschland ebenso zum Lebensstandard wie (zumindest) eine jährliche Urlaubsreise.

Die Tücken des Durchschnitts

Das durchschnittliche Nettoeinkommen eines Haushalt betrug 2008 in Deutschland monatlich etwa 2900 Euro. Damit geht es also den meisten Deutschen finanziell recht gut. Doch: Das Durchschnitteinkommen wird nur rechnerisch ermittelt und sagt noch nichts darüber aus, wie es zustande gekommen ist und wie viele Menschen an diesem Durchschnittswohlstand nicht teilhaben können.

Armutsgefährdet

Junge Mutter mit KLeinkind am Sandkasten (Foto: Fotolia)
Besonders alleinerziehende Frauen sind von Armut bedrohtBild: Fotolia/Pavel Losevsky

Als armutsgefährdet werden Menschen dann bezeichnet, wenn sie weniger als 60 Prozent dieses mittleren Pro-Kopf-Einkommens zur Verfügung haben, also netto weniger als 899 Euro monatlich in der Kasse haben. Und das waren 2008 immerhin 15,5 Prozent der Bevölkerung. Frauen sind dabei mit 16,3 Prozent etwas stärker armutsgefährdet als Männer mit 14,7 Prozent.

Soziale Ausgrenzung

Hochhäuser in Köln Chorweiler (Foto: DW/Shant Shahrigian)
Ärmere wohnen oft in unbeliebten Vierteln am Rande der StädteBild: DW

Ein jährlicher Urlaub ist für die Mehrzahl der Armutsgefährdeten nicht mehr drin, das meiste Geld wird für die Miete ausgegeben. Und die Wohnungen ärmerer Menschen liegen oft in schlechten Wohnlagen. Häufig ist es in der Umgebung laut, dreckig, oft haben die Wohnungen selbst Mängel, sind feucht oder dunkel. 16 Prozent der ärmeren Mieter gaben an, beim Heizen zu sparen und ein Drittel konnte nicht mal jeden zweiten Tag eine vollwertige warme Mahlzeit mit Fleisch zu sich nehmen.

Reiche werden reicher, Arme werden ärmer

Dabei gilt: Im Laufe der Jahre werden die Wohlhabenden reicher, die Geringverdiener ärmer: Die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung verdienen über 36 Prozent des monatlichen Gesamteinkommens, die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung haben nur 9,4 Prozent davon. Die Schere zwischen arm und reich hat sich weiter geöffnet. Und: In den letzten Jahren haben mehr Menschen entweder sehr viel oder sehr wenig verdient, die Mittelschicht ist geschrumpft.

Reich bleibt reich, arm bleibt arm

Bedürftige Menschen stehen Schlange und warten auf die Verteilung kostenloser Lebensmittel (Foto: AP)
Kirchen und Vereine geben kostenlose Lebensmittel an Bedürftige ab - die Nachfrage ist großBild: AP

Theoretisch hat die deutsche Gesellschaft eine offene Struktur: Gleichberechtigung vor dem Gesetz und Chancengleichheit im Bildungswesen sollen jedem entsprechend seiner Leistung den sozialen Aufstieg ermöglichen. Dass die Realität anders aussieht, wird aus dem Sozialbericht 2011 deutlich.

Zwei Drittel der Menschen, die die höchsten Einkommen beziehen, verdienen vier Jahre später noch genauso viel. Und genauso statisch sieht es am unteren Einkommensende aus: 65 Prozent der Geringverdiener bleiben Geringverdiener, nur knapp 22 Prozent schaffen es, ihr Einkommen etwas zu erhöhen.

"Vererbte Schichten"

Mann mit Kind auf den Schultern vor blauem Himmel (Foto: Fotolia)
Wie der Vater, so der Sohn - dieses Sprichwort stimmt in DeutschlandBild: Fotolia/Pavel Losevsky

In kaum einem anderen Land spielt die soziale Herkunft eine solch große Rolle wie in Deutschland, wenn es darum geht, die Berufs-Chancen der nächsten Generation zu bestimmen. Denn in Deutschland ist die soziale Stellung eng an den Bildungsgrad gekoppelt. Gebildete Eltern sorgen für die gute Qualifikation ihrer Kinder, bildungsferne Schichten weit weniger. Was dazu führt, dass Bildungs- und Berufschancen quasi von Generation zu Generation weiter "vererbt" werden.

Bildung als Schlüsselqualifikation

Bildung spielt dabei nicht nur eine Rolle bei der sozialen Positionierung innerhalb der Gesellschaft. Bildung beeinflusst auch das Gesundheitsbewusstsein und damit auch die Lebenserwartung: Rund fünf Jahre länger leben Menschen mit Abitur im Vergleich zu solchen mit einem Hauptschulabschluss.

Kein Wunder also, dass die Autoren des Sozialberichts 2011 bei der Veröffentlichung ein Plädoyer an die Politik formulierten. Thomas Krüger, der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, forderte, der Bildung mehr Wertschätzung und Geld zuteil werden zu lassen, "weil Bildung ein Schlüssel zu mehr Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe ist" und Bildung im rohstoffarmen Deutschland auch "eine enorme ökonomische Relevanz" habe.

Der Sozialbericht und seine Autoren

Seit 1985 wird der Sozialbericht regelmäßig alle zwei Jahre erstellt, herausgegeben wird er vom Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

Autorin: Rachel Gessat
Redakteurin: Pia Gram