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Ratlose Regierung

Andreas Noll25. Oktober 2006

Die Bundesregierung hat ein Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Bundeswehr vorgestellt. Zur gleichen Zeit gerät die Bundeswehr in Afghanistan durch schockierende Fotos in Erklärungsnot. Andreas Noll kommentiert.

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Kommentargrafik

Auf der Tagesordnung der Bundesregierung steht die Verlängerung des Anti-Terror-Einsatzes in Afghanistan. Ausgerechnet zu diesem Anlass gelangen nun Bilder an die Öffentlichkeit, die deutsche Soldaten mit einem Totenschädel in der Hand bei einer Patrouille in Afghanistan zeigen. Noch sind die genauen Umstände dieser Totenschändung unbekannt. Dieser Vorfall muss nun aber schnell aufgeklärt werden, das Verhalten der Soldaten ist nicht zu rechtfertigen. Es zeigt eine andere Seite der in Deutschland mittlerweile akzeptierten Auslandseinsätze der Bundeswehr. Schon wenige Soldaten können mit ihrem Fehlverhalten die Institution Bundeswehr oder sogar eine ganze Friedensmission beschädigen - die Bundeswehr kann so selbst zum Feindbild im Ausland werden.

Dabei sollte an diesem Mittwoch (25.10.) eigentlich das Weißbuch im Mittelpunkt der Bundeswehr-Diskussionen stehen. 16 Jahre nach dem Ende des Warschauer Paktes hat die Truppe wieder ein offizielles Feindbild. Deutschlands Sicherheit wird vom internationalen Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bedroht, heißt es im ersten verbindlichen sicherheitspolitischen Konzept der Bundesregierung seit zwölf Jahren.

Differenzen in der Koalition

Die Definition des Feindes ist das eine, das Vorgehen gegen diesen Feind das andere. In der großen Koalition haben Union und SPD unterschiedliche Vorstellungen von der Terror-Gefahr für Deutschland. Deshalb haben sie sich immer noch nicht geeinigt, in welchen Fällen die Bundeswehr im Innern zum Einsatz kommen darf.

Auf den ersten Blick weniger umstritten ist die Entsendung von Soldaten in Krisenregionen auf der ganzen Welt. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz, heißt es im neuen sicherheitspolitischen Regierungskonzept. Aber wann wird die im Konzept erwähnte Rohstoffversorgung so wichtig, dass dafür das Leben von Soldaten eingesetzt wird? Antworten darauf finden sich im Weißbuch ebenso wenig wie auf die Frage, wie es am Hindukusch weitergehen soll, wo die Angriffe gegen die internationalen Truppen zunehmen.

Zaudernd und unentschlossen

Dabei zeigt gerade der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan das
Ausmaß der Ratlosigkeit in der Berliner Politik. Afghanistan ist
derzeit ein ungemütliches Thema für die Bundesregierung. Nicht nur
wegen der jüngsten Vorwürfe, sondern auch wegen der Verlängerung des Anti-Terror-Einsatzes Enduring Freedom. Unter diesem Dach kann die Elite-Truppe Kommando Spezialkräfte (KSK) am Hindukusch eingesetzt werden. Die Verbündeten in der Nato schätzen die Spezialisten aus Deutschland, die schon bei der Jagd auf Taliban geholfen haben.

In Deutschland steht die KSK dagegen in der Kritik, nach Misshandlungsvorwürfen im Fall Murat Kurnaz gegen einige Mitglieder der Spezialkräfte. Dieser Vorfall wird derzeit untersucht und muss aufgeklärt werden. Zahlreiche Bundespolitiker denken aber schon laut über den Abzug des KSK aus Afghanistan nach - und offenbaren damit, welche Lücke klafft zwischen dem deutschen Anspruch globaler Präsenz und der provinziellen Wirklichkeit.