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Prozess gegen 97-jährigen NS-Kriegsverbrecher

5. Mai 2011

Wegen der Ermordung von 36 Menschen in Serbien muss sich der Ungar Sandor Kepiro in Budapest vor Gericht verantworten. Doch soll er für den Tod von insgesamt mehr als 1200 Juden, Sinti und Roma verantwortlich sein.

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Sandor Kepiro wird auf dem Weg in den Gerichtssaal von zwei Beamten eskortiert (Foto: AP)
Sandor Kepiro auf dem Weg in den GerichtssaalBild: AP

In Budapest hat am Donnerstag (05.05.2011) der Prozess gegen einen der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher, den Ungar Sandor Kepiro, begonnen. Der 97-Jährige muss sich wegen der Ermordung von 36 Menschen im serbischen Novi Sad im Jahr 1942 verantworten. Der frühere ungarische Polizeioffizier wird aber verdächtigt, an der Ermordung von insgesamt mindestens 1200 Juden, Sinti und Roma teilgenommen zu haben. Der Prozess in der ungarischen Hauptstadt könnte nach Einschätzung des Simon-Wiesenthal-Zentrums eines der letzten, wenn nicht gar das letzte große Verfahren gegen einen NS-Kriegsverbrecher sein.

In ihrer Anklage wirft die ungarische Staatsanwaltschaft Kepiro vor, im Januar 1942 als Kommandeur einer Patrouille die Erschießung unschuldiger Zivilisten in Novi Sad angeordnet zu haben. Kepiro gibt zu, bei der Razzia vom 21. bis 23. Januar 1942 dabei gewesen zu sein, beteuert aber seine Unschuld. "Ich habe nichts bereut, ich habe nur meine Pflicht getan", sagte er im vergangenen Oktober einer Journalistin des privaten Fernsehsenders ATV, die ihn fragte, ob er Reue empfinde. Bis zum Beginn des Prozesses blieb der noch rüstige Kepiro auf freiem Fuß.

Schon zwei Prozesse wegen Massaker

Im Schnee liegende Leichen von Opfern des Massakers von Novi Sad vom Januar 1942 (Foto: Museum Vojvodina)
Opfer des Massakers von Novi Sad vom Januar 1942Bild: Museum Vojvodina

Kepiro steht weit oben auf der Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles, das auf die Suche von Kriegsverbrechern spezialisiert ist. Seine Beteiligung am Massaker von Novi Sad hat ihm in den Jahren 1944 und 1946 bereits zwei Prozesse eingebracht. Im zweiten Verfahren wurde er in Abwesenheit zu 14 Jahren Haft verurteilt, doch er war bereits zwei Jahre zuvor nach Argentinien ausgewandert, dem Zufluchtsland vieler NS-Kriegsverbrecher. Nach Jahrzehnten in dem südamerikanischen Land kehrte Kepiro 1996 unbehelligt nach Ungarn zurück. In Budapest, wo er direkt gegenüber einer Synagoge wohnte, spürte ihn dann vor fünf Jahren der Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem und Leiter der Kampagne "Operation Letzte Chance", Efraim Zuroff, auf.

Kepiros Verteidigung hat die Nationale Rechtsstiftung übernommen. Sie wird von Tamas Nagy Gaudi geleitet, einem Parlamentsabgeordneten der rechtsextremen Jobbik-Partei. Im Falle seiner Verurteilung droht Kepiro lebenslange Haft.

Autor: Stephan Stickelmann (afp dpa)
Redaktion: Marion Linnenbrink