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Nahrungsmittel und Hunger

Khalit El Kaoutit26. August 2008

Die Lebensmittelpreise sind alleine 2007 um 40 Prozent gestiegen, so die UNO. Fast eine Milliarde Menschen leiden heute Hunger. Rufe nach einer Unterstützung der ärmsten Länder durch die Industrieländer werden laut.

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Eine haitische Frau zeigt in Port-au-Prince einen Teller mit einem Reisgericht, dem Hauptnahrungsmittel in Haiti
Vor allem Entwicklungsländer sind von der Nahrungsmittelkrise betroffenBild: picture-alliance/dpa

Das Open Forum der International Disaster and Risk Conference, IDRC, beginnt am Mittwoch (27.8.2008) im schweizerischen Davos. Die zwei großen Themen: Klimaflüchtlinge und Nahrungsmittelknappheit. Laut UN-Angaben sind die Lebensmittelpreise alleine im letzten Jahr um 40 Prozent gestiegen. Die Welternährungsorganisation (FAO) schätzt, dass die Zahl der Hungernden in der Welt aufgrund der Teuerung von Lebensmitteln um über 100 Millionen gestiegen ist. Das heißt, heute leiden weltweit fast eine Milliarde Menschen unter Hunger. Besonders betroffen sind arme Gesellschaftsschichten, die einen immer größeren Teil ihres geringen Einkommens für Grundnahrungsmittel ausgeben müssen.

Gründe für den Preisanstieg

Zapfpistole einer Tankstelle mit der Aufschrift Biodiesel vor einem leeren Teller
Biosprit zugunsten von Nahrungsmitteln?Bild: Picture-Alliance /dpa/AP

Die Welternährungsorganisation, FAO, hat in den vergangenen zwei Jahren zwei Tendenzen auf dem weltweiten Lebensmittelmarkt beobachtet: Während die Nachfrage steigt, geht gleichzeitig das Angebot an Nahrungsmitteln zurück. Die unmittelbare Folge ist ein massiver Preisanstieg. Verschiedene Ursachen werden für die Veränderung genannt. Doch die bedeutendsten Gründe liegen auf der Angebotsseite: steigende Energiepreise und die Verdrängung des Lebensmittelanbaus durch den Anbau von anderen Nutzpflanzen wie Bioenergiepflanzen. Denn dort wo zum Beispiel Raps angebaut wird, kann weder Reis noch Mais gepflanzt werden.

Verändertes Konsumverhalten fördert den Preisanstieg

Das genaue Ausmaß dieser Faktoren ist noch nicht abzusehen, meint Susanne Neubert, Agrarökonomin beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Sie macht die veränderten Konsumgewohnheiten in Form eines gesteigerten Fleischkonsums und nicht primär das Bevölkerungswachstum für den Preisanstieg verantwortlich.

Denn um ein Kilogramm Fleisch zu erzeugen bedarf es mehrerer Kilo Getreide und Futtermittel, für die wiederum sehr viel Wasser und Agrarfläche benötigt werden. So fehlen diese Ressourcen dem Lebensmittelanbau. Die Tendenz mehr Fleisch zu essen steige weiterhin an, sagt Susanne Neubert, und auch Schwellenländer passten sich bereits dieser Ernährungsweise an. Das verschärfe das Problem umso mehr.

Entwicklungsländer leiden besonders unter dem Preisanstieg

Hände eines Mannes der Essen verteilt. Hände von Menschen die auf Nahrung warten strecken sich ihm entgegen
Nahrungsmittelausgabe in einem indischen Tempel. Zunehmend mehr Menschen leiden unter der aktuellen LebensmittelsituationBild: AP

Das bekommen die Menschen in den Entwicklungsländern massiv zu spüren. Vor allem die Kleinbauern dort leiden doppelt. Auf der einen Seite können sie sich keine Nahrungsmittel leisten, die sie nicht selbst produziert haben. Auf der anderen Seite profitieren diese Kleinbauern als Anbieter nicht von der Preissteigerung, sagt Armin Paasch von dem Aktionsbündnis "FoodFirst“ (FIAN, FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk), das sich für das Recht auf Nahrung einsetzt.

Forderungen nach einer Unterstützung der Kleinbauern

Paasch fordert zudem strukturelle Veränderungen wie Landumverteilung und eine bessere Unterstützung sowohl der Kleinbauern als auch neuer Produktionsmethoden.

Strukturänderungen, die in den Entwicklungsländern stattfinden müssen, meint Armin Paasch und fordert die Industrieländer auf, diese Staaten dabei zu unterstützen. Auch Wulf Killmann von der FAO plädiert für neue Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit im Agrarbereich und sieht Handlungsbedarf, da die internationale Entwicklungszusammenarbeit in den letzten 26 Jahren zurückgegangen sei.

So könnte Kleinbauern in Entwicklungsländern durch finanzielle Unterstützung geholfen werden, ökologische Landbaumethoden zu etablieren. Sie könnten sich, durch Verwendung organischer Dünger anstelle von Mineraldüngemitteln, von der Abhängigkeit vom Ölpreis befreien.

Mehrere Personen stehen auf einem Feld im Süden Ruandas
Feld im Süden Ruandas. Besonders Kleinbauern brauchen UnterstützungBild: Marie-Christine Werner

Entwicklungshilfe bestehe zudem darin, den Kleinbauern das landwirtschaftliche Know-how zu vermitteln und Verkaufsmöglichkeiten aufzuzeigen, meint Susanne Neubert. Doch die Rolle von Industriestaaten darf sich nicht allein auf Entwicklungshilfe beschränken.

Agrarpolitik der Industriestaaten in der Kritik

Denn für die Entwicklungsländer sind die Welthandelsbedingungen im Agrarbereich, die den Zugang zu den Lebensmittelmärkten bestimmen, sehr unvorteilhaft.

Agrarsubventionen und die Schutzmechanismen gegen Importe im Norden haben dazu geführt, dass die Märkte im Süden mit Lebensmitteln aus dem Norden überschwemmt und die Kleinbauern in den Entwicklungsländern von den eigenen Märkten verdrängt werden. Das wollten die Entwicklungsländer ändern und haben 2001 in Doha im Rahmen einer Konferenz der Wirtschafts- und Handelsminister gefordert, die Agrarsubventionen in Industriestaaten abzubauen und die Märkte dieser Länder für Agrarprodukte aus Entwicklungsländern zu öffnen. Diese Konferenz, die als Doha-Runde bekannt ist, ist gescheitert.

Zuletzt scheiterte 2008 ein weiterer Versuch, den Katalog der Doharunde wieder aufzunehmen. Wulf Killmann von der FAO sieht als einzige Möglichkeit um "den Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien zu helfen", die Agrarsubventionen zu reformieren. Doch ein kurzfristiger Subventionsabbau sei trotz weltweiter Hungerkrisen nicht in Sicht, so Killmann.