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Das Gesicht Jesu

10. April 2010

Ob das Grabtuch im Turiner Dom wirklich das Gesicht des gekreuzigten Jesus Christus zeigt, ist umstritten. Das hält 1,8 Millionen Menschen aber nicht davon ab, in den nächsten sechs Wochen nach Turin zu pilgern.

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Prominenter Pilger: Papst Johannes Paul II. im Jahre 1998 (Foto: AP)
Prominenter Pilgerer: Papst Johannes Paul II. (1998)Bild: AP

Bis Pfingsten werden vom Samstag (10.04.2010) an fast zwei Millionen Katholiken aus aller Welt nach Norditalien kommen, um einen Blick auf das etwas mehr als vier Quadratmeter große Leinentuch zu werfen, schätzt die Stadtverwaltung von Turin. Der Ansturm dürfte damit fast genauso groß sein wie vor zehn Jahren, als die Reliquie zum letzten Mal öffentlich ausgestellt wurde. 2002 wurde das mysteriöse Tuch restauriert.

Echt oder gut gefälscht?

Seit gut hundert Jahren debattieren Wissenschaftler, ob das Grabtuch wirklich schon 2000 Jahre alt ist und das Abbild des Religionsstifters Jesus Christus zeigen könnte. Das Tuch, das die Gesichtzüge eines gefolterten, bärtigen Mannes mit langen Haaren zeigt, wurde 1988 mit Hilfe mehrerer Radiokarbon-Tests auf die Zeit um 1300 datiert. Andererseits wurden in dem Tuch Blütenpollen und Mineralienspuren aus Jerusalem aus der Zeit um Jesu Kreuzigung gefunden.

Nahaufnahme des Turiner Grabtuches, erkennbar ist das Antlitz eines bärtigen Mannes (Foto: AP)
Jesus Christus? Leonardo da Vinci? Ein Unbekannter?Bild: AP

Zahlreiche Forschungsprojekte in aller Welt sind dem Tuch mit Röntgenstrahlen, Infrarot, Spektralanalysen und vielen anderen Methoden zu Leibe gerückt. Abschließende Erkenntnisse gibt es nicht, stellt Bruno Barberis von der Internationalen Gesellschaft für Grabtuchforschung in Turin fest. Die 2009 in den USA aufgestellte These, es handele sich bei der Abbildung auf dem Tuch um ein Selbstbildnis Leonardo da Vincis, hält Barberis für ziemlich weit hergeholt.

Der Glaube zählt

Der Turiner Erzbischof Serverino Poletto sagte in seiner Osterbotschaft, das Grabtuch sei kein Beweis für die Auferstehung Jesu. Der christliche Glaube stütze sich auf die Evangelien, nicht auf das Stofftuch. Die Wissenschaft habe bislang nachgewiesen, so Kardinal Poletto, dass es sich nicht um eine Fälschung oder Nachahmung, sondern wirklich um ein Grabtuch handele. Ob es tatsächlich das von Jesus Christus ist? Wahrscheinlich, sagt der Kardinal. Für das Zustandekommen des Gesichtsbildes auf dem Tuch gebe es bislang keine wissenschaftliche Erklärung. Die Reliquie sei durch die jahrhundertelange Verehrung zu einem Zeugnis des lebendigen Glaubens geworden.

Auch der Papst pilgert nach Turin

Papst Benedikt XVI. (Foto: AP)
Papst Benedikt XVI.Bild: AP

Prominentester Pilger wird am 2. Mai Papst Benedikt XVI. sein. Eine offizielle Stellungnahme des Vatikans zur Echtheit des Grabtuchs gibt es allerdings nicht. Papst Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. sagte 1998 bei seinem Besuch in Turin, unvoreingenommene Wissenschaftler sollten diese Frage entscheiden und dabei die Gefühle der Gläubigen berücksichtigen.

Das Grabtuch wurde im 14. Jahrhundert in Frankreich entdeckt und gelangte über Umwege nach Turin, wo es seit 1578 aufbewahrt wird. Das Abbild des Gesichts wurde erst 1898 wahrgenommen, als das erste Foto von dem Grabtuch gemacht wurde. Auf der Negativplatte war deutlich das Gesicht des bärtigen Mannes, der Jesus sein könnte, zu sehen. Das Grabtuch gilt heute als einer der größten Schätze der katholischen Kirche. Im letzten Jahrhundert wurde es nur vier Mal öffentlich ausgestellt. Pünktlich zu jeder Ausstellung tauchen neue Thesen im Zusammenhang mit der Stoffbahn auf. Diesmal berichtet eine italienische Zeitung unter Berufung auf kirchliche Historiker, dass der deutsche Diktator Adolf Hitler das Grabtuch angeblich rauben wollte. 1939 wurde das Tuch aus dem Turiner Dom evakuiert - offiziell, um es vor Bombenangriffen zu schützen. Angeblich aber wollte man den Nazis den Zugriff auf das Tuch erschweren, so Andrea Davide Cardin, Direktor der Staatlichen Bibliothek in Montevergine.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn