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NPD-Verbotsverfahren rückt näher

9. Dezember 2011

Der erste Versuch, die rechtsextremistische Partei zu verbieten, scheiterte 2003 aus formalen Gründen. Die Innenminister einigten sich jetzt auf einen zweiten Anlauf. Doch nach wie vor gibt es rechtliche Bedenken.

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Teilnehmer eines NPD-Aufmarsches in Frankfurt am Main (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Leicht haben es sich der deutsche Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und seine 16 Amtskollegen aus den Bundesländern auf ihrer Konferenz in Wiesbaden (08./09. Dezember 2011) nicht gemacht. Bis zuletzt gab es Bedenken gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren. Zu tief sitzt bei manchen die Furcht, ein zweites Mal vor dem Bundesverfassungsgericht zu scheitern und damit unbeabsichtigt die rechtsextremistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) aufzuwerten. Der erste Anlauf war 2003 vor allem deshalb schief gegangen, weil aus Sicht der höchsten Richter die Rolle von Spitzeln, sogenannter V-Leute, der staatlichen Sicherheitsdienste innerhalb der NPD unklar war.

Konservative Minister lenken ein

Zweifel an den Erfolgsaussichten eines zweiten Verbotsverfahrens hegen insbesondere konservative Politiker, darunter Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Letztlich gaben sie dem Drängen ihrer sozialdemokratischen Kollegen nach und wohl auch der öffentlichen Erwartungshaltung im In- wie im Ausland. Anfang November war bekannt geworden, dass eine offenbar rechtsextremistische Bande zwischen 2000 und 2007 eine Mordserie an Menschen mit ausländischen Wurzeln verübt hatte. Es wäre daher schwer zu vermitteln, wenn daraus keine Konsequenzen gezogen würden.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) (Foto: dpa)
Trotz Skepsis für ein neues NPD-Verbotsverfahren: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU)Bild: picture alliance/dpa

Rechtlich betrachtet, sind die Vorbehalte indes ernst zu nehmen. Denn um eine Partei verbieten zu können, muss ihr eine "aggressiv-kämpferische" Haltung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und eine "Wesensverwandtschaft" mit dem Nationalsozialismus nachgewiesen werden. Das galt im Falle der 1964 gegründeten NPD bis vor kurzem als schwierig, weil den Funktionären und rund 6600 Mitgliedern keine direkten Verbindungen zu gewalttätigen Neonazis nachgewiesen werden konnten.

NPD-Funktionär soll in Mordserie verwickelt sein

In diesem Zusammenhang verweisen Befürworter eines neuen NPD-Verbotsverfahrens auf eine aus ihrer Sicht neue Ausgangslage, nachdem Ende November der frühere stellvertretende NPD-Vorsitzende Thüringens, Ralf Wohlleben, festgenommen worden war. Ihm wird vorgeworfen, der Terror-Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), die für die Mordserie verantwortlich sein soll, eine Waffe und Munition besorgt zu haben. Ob einzelne Kontakte zwischen gewalttätigen Rechtsextremisten und der NPD ausreichend sind für ein Partei-Verbot, ist unter Experten umstritten.

Um die NPD verbieten zu können, muss ein Verfassungsorgan einen Antrag stellen. Infrage kommen die Bundesregierung, das Abgeordnetenhaus (Bundestag) und die Länderkammer (Bundesrat). Das 2003 gescheiterte Verbotsverfahren war von allen beantragt worden. Ein gemeinsames Vorgehen wäre auch bei einem möglichen zweiten Anlauf 2012 denkbar, weil es die Entschlossenheit des gesamten Staates zum Ausdruck bringen würde. Dass sich die Innenminister von Bund und Ländern nun für ein weiteres Verbotsverfahren ausgesprochen haben, wollen sie selbst als "deutliches Signal" verstanden wissen. Die NPD vertrete eine Ideologie, die "menschenverachtend, antidemokratisch und antisemitisch" sei, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz Boris Rhein aus Hessen.

Arbeitsgruppe sammelt Material für Verbotsverfahren

Um die Erfolgsaussichten für ein NPD-Verbot zu erhöhen, soll eine bereits im Frühjahr 2011 eingerichtete Arbeitsgruppe Materialien und Informationen sammeln, die den Verfassungsorganen als Argumentationshilfe zur Verfügung gestellt werden könnten. Darüber hinaus soll noch in diesem Jahr ein "Gemeinsames Abwehrzentrum Rechts" von Bund und Ländern eingerichtet werden. Als Vorbild dient das bereits seit 2004 in Berlin arbeitende "Gemeinsame Terror-Abwehrzentrum" gegen islamistischen Terror.

Gestritten wird noch über Art und Umfang einer sogenannten Verbunddatei, in der Informationen über Rechtsextremisten gesammelt werden sollen. Die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will darin nur Daten über gewalttätige Rechtsextremisten sammeln. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will die Datei auch für nur als gewaltbereit geltende Rechtsextremisten nutzen.

Verfassungsschützer sollen Informationen weitergeben

Einig ist man sich hingegen darin, dass die Verfassungsschutzämter der Länder künftig alle Informationen über Rechtsextremismus an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) weitergeben sollen, sagte Bundesinnenminister Friedrich. Weil das in der Vergangenheit keine Selbstverständlichkeit war, sind den Sicherheitsbehörden wahrscheinlich entscheidende Hinweise auf die Neonazi-Gruppe entgangen. Zwei der drei mutmaßlichen Täter haben sich, anscheinend in Erwartung ihrer bevorstehenden Verhaftung, das Leben genommen. Die dritte Verdächtige sitzt in Untersuchungshaft und verweigert jede Aussage. Gemeinsam war es dem Trio trotz Beobachtung durch den Verfassungsschutz gelungen, Ende der 1990er Jahre unterzutauchen.

Möglicherweise hatten die aus Thüringen im Osten Deutschlands stammenden mutmaßlichen Täter Helfer im Westen. Im Westen sind, statistisch gesehen, rechtsextremistische Einstellungen weniger verbreitet als im Osten. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" liegt den Ermittlern die Aussage eines Rechtsradikalen vor, der mit Kameraden aus dem Westen Örtlichkeiten für einen Mord ausspioniert haben will. Er sei aber abgesprungen, bevor das Anschlagziel festgelegt worden sei. Kurz darauf sei ein türkischer Kleinunternehmer von den Terroristen erschossen worden. Nach Darstellung des Zeugen soll das mutmaßliche Täter-Trio aus dem Osten bei der harten rechtsextremistischen Szene im Westen bekannt gewesen sein. Angeblich habe man Kenntnis davon gehabt, wer hinter der im Jahre 2000 begonnenen Mordserie steckte.

Für die Opfer der Neonazis wird am 23. Februar in Berlin eine Gedenkfeier veranstaltet. Damit soll nach Angaben des Bundespräsidialamtes ein Zeichen gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt gesetzt werden. Bundespräsident Christian Wulff hatte Ende November Angehörige der Opfer zu einem vertraulichen Gespräch empfangen.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Friederike Schulz