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Moskau und der Diktator Lukaschenko

Olja Melnik24. Februar 2006

Jahrelang hat Putin Weißrussland Präsidenten Lukaschenko durch billige Gaspreise unterstützt. Vor der Wahl am 19. März scheint der russische Präsident seine Haltung zum letzten Diktator Europas nun zu überdenken.

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Wie nahe stehen sich Putin (l.) und Lukaschenko politisch noch?Bild: picture alliance/dpa

Am Anfang seiner politischen Karriere träumte der autoritär regierende Alexander Lukaschenko heimlich davon, seinen Einfluss bis in den Kreml auszudehnen: Die Union mit Russland machte er zu seinem persönlichen Projekt. So drängte er vor zehn Jahren seinen damaligen russischen Amtskollegen, Boris Jelzin, einen Unionsvertrag zu unterzeichnen. Ab sofort wurde Lukaschenko im Kreml als gleichberechtigter Partner angesehen, seine Ideen für die gemeinsame Wirtschafts- und Sicherheitspolitik fanden in Russland fruchtbaren Boden.

Putin und Lukaschenko werden nicht zusammenkommen

Als Wladimir Putin zwei Jahre später an die Macht kam, musste sich der weißrussische Präsident von seinem Traum nach und nach trennen. Der Unionsvertrag sei bis heute größtenteils nicht umgesetzt worden, weil die Interessen beider Staatschefs an einem Unionsstaat zu unterschiedlich seien, sagt Rainer Lindner, Osteuropaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Putin möchte die Oberhoheit, die Kontrolle über sämtliche Aktivitäten in der eigenen Hand behalten. Für Lukaschenko würde es langfristig bedeuten, seine Macht zu verlieren. Insofern werden die beiden nicht zusammenkommen."

Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten seien angespannt, so Lindner. Beide Präsidenten halten an ihrer Strategie unbeirrt fest. Kürzlich erklärte Lukaschenko im staatlichen Fernsehen sogar, er werde "bis zur letzten Patrone schießen", um seine Macht zu verteidigen. Trotz aller Bedenken gegenüber seinem autoritären Amtskollegen will Putin Belarus als politischen Verbündeten nicht aufgeben. Sergej Karaganov, Vorsitzender des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik unter der Schirmherrschaft von Präsident Putin, beschreibt die russische Haltung so: "Für uns ist Weißrussland strategisch wichtig, vor allem wegen Verkehrsverbindungen zum Westen."

Konkurrenzlose Gaspreise

Für Lukaschenko ist Russland der wichtigste Handelspartner. Hier kann er zu sehr komfortablen Bedingungen seine Produkte verkaufen, die sonst auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig sind. Und nicht zuletzt: Von allen postsowjetischen Staaten zahlt Weißrussland den geringsten Preis für das russischen Erdgas.

Lukaschenkos Gegner sind davon überzeugt, dass das autoritäre Regime in Weißrussland nur durch diesen Preisvorteil so lange bestehen kann. Das meint auch der weißrussische Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch: "Putin unterstützt Lukaschenko vor allem durch den billigen Erdgaspreis. Das ist eine enorme Hilfe in Höhe von drei Milliarden Dollar jährlich. Damit kann der weißrussische Präsident soziale Spannungen in seinem Land lösen."

Milinkewitsch in Moskau

Der 57-jährige Milinkewitsch hat sich zum Ziel gesetzt, den letzen Diktator in Europa bei der anstehenden Präsidentschaftswahl am 19. März 2006 abzulösen und Weißrussland nach Europa zu bringen. Knapp vier Wochen vor der Wahl wirbt er in Russland verstärkt um Hilfe und trifft dabei auf offene Ohren: Innerhalb kurzer Zeit wurde der Oppositionschef zwei Mal auf höchster Ebene in Moskau empfangen.

Ob Milinkewitsch auf Russlands Hilfe zählen kann, weiß Lukaschenkos Herausforderer noch nicht. Denn der Kreml ist gerade dabei, seine Politik gegenüber Weißrussland zu überdenken. Insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaftswahl versuche sich Putin von seinem weißrussischen Amtskollegen weitgehend zu distanzieren, so der Politikwissenschafter Rainer Lindner: "Putin hat sich nicht direkt zu Lukaschenko bekannt, er ist nicht nach Minsk gereist und wird es sicherlich nicht mehr tun. Andererseits ist Putin auf Weißrussland als Verbündeter angewiesen, er kann sich eine 'orangene Revolution' in einem weiteren Nachbarstaat nicht leisten. Moskau sucht nach Wegen, wie man einen anderen Politiker an die Spitze dieses Staates stellen kann, der ebenso nach Russland orientiert, aber leichter zu handhaben ist."