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"Mit Ozon kann man kariöse Zähne heilen"

16. August 2010

Zahnarzt Peter Ollig bietet in seiner Praxis eine Alternative zum Bohren an: Ozon. Im Gespräch mit DW-Wissenschaft erläutert er, wie die Methode funktioniert und gegen welche Arten von Karies man sie einsetzen kann.

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Ozon-Behandlung beim Zahnarzt (Foto: picture-alliance/ dpa)
Weniger Angst vorm Zahnarzt ohne Bohren?Bild: picture alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Herr Ollig, Kariesbehandlung ohne Bohrer, das klingt erstmal neu, aber es sind in den vergangenen Jahren einige Methoden entwickelt worden, Zähne schmerzfrei und bohrerlos zu behandeln. Welche sind das denn?

Peter Ollig: Man hat immer wieder probiert, die Bakterien auf anderem Wege aus dem Zahn heraus zu bekommen. Da gibt es Methoden wie den Laser, der mit Wärme arbeitet und kleine Wassermoleküle im Zahn spaltet, so dass der Zahn durch kleine Explosionen verhältnismäßig schonend abgetragen wird. Es gibt Flüssigkeiten, die den Zahn erweichen und dann ausgekratzt werden können und es gibt die Methode, Bakterien durch Gas abzutöten, zum Beispiel durch Ozon.

Diese Ozon-Behandlung bieten Sie ja auch in Ihrer Praxis an. Wie funktioniert das Verfahren genau?

Es kommt sowohl beim Bohren wie auch bei allen anderen Verfahren darauf an, dass wir zum einen die Bakterien aus dem Zahn herausholen und zum anderen die zerstörte Zahnhartsubstanz entfernen. Wir haben das alternative Verfahren mit Ozon gewählt, weil wir damit die Bakterien abtöten und den Zahn im Inneren chemisch neutralisieren können, so dass sich wieder Mineralien anbauen. Dadurch kann der Zahn heilen. Das ist etwas Neues, denn bisher konnten wir den Zahn immer nur mit dem Bohrer zerstören und dann füllen.

Wie funktioniert das praktisch? Man setzt einen Schlauch auf den Zahn auf, aus dem Ozon strömt und die Karies wird vollständig zerstört?

Kariesbefall am Zahn (Foto: picture-alliance/ OKAPIA KG)
Schmerzhaft: Kariesbefall am ZahnBild: picture-alliance / OKAPIA KG

Ja, so werden die Bakterien im Zahn abgetötet. Die Bakterien sind deshalb so schädlich, weil sie Säuren produzieren, die Mineralien aus dem Zahn herauslösen. Wenn sich Bakterien im Zahn befinden, ist das innere Milieu immer sauer. Dadurch wird auch verhindert, dass sich neue Mineralien einlagern. Da Ozon die Neutralität im Zahn wieder herstellt, können danach wieder Mineralien eingebaut werden, so wie der gesunde Zahn das automatisch jeden Tag tut. Die Zahnhartsubstanz wird also durch die Ozonbehandlung auf natürlichem Wege wiederhergestellt.

Und das funktioniert bei allen Arten von Karies?

Nein. Es gibt Karies, die sich an unwegsamen Stellen befindet, wo man mit dem Gas nicht richtig hinkommt. Es gibt Karies, die sich soweit festgesetzt hat, dass die Zahnsubstanz so kaputt ist, dass sie auch nicht mehr remineralisiert oder aufgebaut werden kann. Außerdem gibt es Stellen, die unter Füllungen oder unter Kronen sind. Da muss man vorher den Zugang per Bohrer schaffen.

Ich habe gelesen, dass an Stellen, die mit Ozon behandelt wurden und remineralisiert sind, sehr wahrscheinlich nie wieder eine neue Karies entstehen wird. Ist das richtig?

Nicht ganz. An der Stelle, wo Ozon gewirkt hat und Remineralisierung stattgefunden hat, wirken die Säureangriffe nicht so stark, weil die Mineralisierung stärker ist, als am natürlichen Zahn. Es kann aber durch massive Säureangriffe auch wieder zu Schäden kommen. Die Stelle ist also zwar wieder hergestellt aber der Natur dann auch wieder ausgesetzt.

Das heißt, Ozon drauf und nie wieder putzen funktioniert nicht…

Nein, leider nicht.

Wäre es denn eine sinnvolle Maßnahme, die Zähne prophylaktisch schon einmal mit Ozon zu behandeln und sie damit härter zu machen, als sie von Natur aus sind?

Auch das geht nicht. Zwar können Defekte in den Zähnen wieder hergestellt werden, aber wenn der Zahn gesund ist, hat Ozon keine Wirkung. Ozon bricht Kohlenstoffdoppelbindungen auf und greift damit Bakterien, Pilze und Viren an und zerstört alles, was sich nicht dagegen wehren kann. Die Körperzellen können das, sie besitzen einen Reparaturmechanismus. Aber wenn Ozon auf gesunde Haut oder auf einen gesunden Zahn aufgetragen wird, ist der Effekt gleich Null. Es kann daher aber auch nicht übertherapiert werden.

Nun ist Ozon eher negativ besetzt: hohe Ozonwerte im Sommer, weshalb man weniger Auto fahren soll. Wie reagieren denn die Patienten, die das Verfahren noch nicht kennen, wenn Sie ihnen eine Ozonbehandlung anbieten?

Vorsichtig. Gerade im Mundraum mit Ozon zu arbeiten, ist sehr schwierig. Wir haben sehr hohe Ozonkonzentrationen und lösen das Problem dadurch, dass wir das freigegebene Ozon unter einer kleinen Silikonkappe mit einen Vakuum am Zahn festhalten. Unter der Kappe sind hohe Ozonkonzentrationen, sobald ich aber den Kontakt zum Zahn verliere, strömt die Außenluft ein und es kann kein Ozon in den Rachenraum gelangen. In der Lunge ist Ozon nämlich schädlich. Jede Körperzelle kann den Angriff abwehren beziehungsweise den Schaden reparieren. Die Lungenbläschen sind aber so dünn, dass kein Reparaturmechanismus dahintersteht. Es darf also auf keinen Fall in die Lunge kommen.

Gab es Patienten bei Ihnen in der Praxis, die gesagt haben: 'Nein, das möchte ich nicht. Bohren Sie bitte lieber!'?

Eine Frau lässt sich mit einem UV-Lichtgerät auf Karies untersuchen (Foto: picture-alliance/ dpa)
Auch neu: UV-Licht macht Karies sichtbarBild: picture alliance/dpa

Letztendlich nicht. Ozon kann überall vorkommen. Man kennt es zum Beispiel vom bitteren Gestank alter Laserdrucker. Was man da riecht ist Ozon. Spätestens wenn ich die Maschine vorführe und der Patient merkt, es kommt nichts raus, ist das Eis gebrochen.

Wie tief dringt denn das Ozon überhaupt in den Zahn ein?

Laut wissenschaftlichen Studien ungefähr zwei Millimeter. Das ist aber stark davon abhängig, wie die kleine Silikonkappe auf dem Zahn sitzt. Die Kappe muss gerade aufsitzen, damit ein Vakuum entsteht und das Ozon mit möglichst hohem Druck auf den Zahn gepustet wird. Die kariöse Stelle muss also direkt darunter sitzen. Ich persönlich verlasse mich nicht auf die Eindringtiefe von zwei Millimetern. Kleinere Sachen werden aber durchaus von mir auch dann mit Ozon behandelt, wenn es um die Ecke geht.

Laut Bundeszahnärztekammer gibt es rund 55.000 niedergelassene Zahnärzte in Deutschland. Nur einige tausend bieten die Ozonbehandlung an. Warum ist das nur ein so geringer Bruchteil?

Das liegt an der Art, wie ich das in Rechnung stellen kann. Bei einer zusätzlichen Leistung, die nicht bekannt ist und die nicht von den Krankenkassen – übrigens auch von den privaten – nicht bezahlt wird, muss ich erst Patienten finden, die diese Leistung haben möchten. Das ist sehr aufwendig und zeitraubend. Ich kann außerdem verstehen, wenn sich mancher Kollege skeptisch gegenüber der Technik verhält und den Arbeitsaufwand scheut, dem Patienten alles darüber zu vermitteln.

Zum Wohle des Patienten würde es aber beitragen?

Das schon. Ja.

Sie sagten, die Ozonbehandlung kann nicht bei allen Arten von Karies angewendet werden und den Bohrer nicht vollständig ersetzen. Wenn man also gar nicht um den Bohrer herumkommt, wie sollte denn gebohrt werden?

Schonend und minimal invasiv. Die Karies kann mit geringen Drehzahlen entfernt werden. Die hohen, fiepsigen Bohrer, die sogenannten Turbinen, haben Drehzahlen von bis zu 400.000 Umdrehungen pro Minute und gehen durch den Zahn wie durch Butter. Da bekommen sie kein Feedback, ob der Zahn an der Stelle, an der Sie gerade bohren noch kariös und weich oder gesund und hart ist. Wenn Sie aber langsam bohren, zum Beispiel mit dem rumpeligen Bohrer, der von den Patienten gar nicht geschätzt wird, können Sie relativ sicher sein, dass Sie nur das entfernen, was wirklich nötig ist. Langsames Bohren ist also eigentlich ein Qualitätsmerkmal.

Und auch Ozon bietet hier ein Hilfsmittel: Man kann das durch das Bohren entstandene Loch mit Ozon desinfizieren und auch Stellen, die sehr tief sind, nachmineralisieren. Man muss also nicht in die volle Tiefe gehen. Man kann den Zahn nach einer Weile noch einmal aufmachen, nachschauen, ob er remineralisiert ist und hat so eine Chance, an einer Wurzelbehandlung vorbeizukommen.

Interview: Andreas Ziemons
Redaktion: Judith Hartl