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Messias, Rockstar, Obama

Christina Bergmann14. Februar 2008

Er predigt nicht, wird aber verehrt wie ein Heiliger. Er singt nicht, doch seine Fans feiern ihn wie ein Rockstar. Barack Obama hat keine Wähler, sondern Fans. Die sind zum Leiden bereit, nur um ihn zu sehen.

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Bild: DW
Es ist bitter kalt in dieser Woche in Washington. Auch am Montag lagen die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Dennoch versammelten sich am frühen Morgen Tausende Männer, Frauen und Kinder vor dem Comcast Center der Universität von Maryland. Manche kamen schon vor Tagesanbruch. Sie hatten sich in Decken eingehüllt und waren angezogen wie für eine Arktisexpedition.

Christina Bergmann
Christina Bergmann, Korrespondentin in Washington


Viele Studenten waren gekommen, aber auch ältere Semester. Und viele Kinder – einige noch zu jung für die Schule, andere schwänzten mit dem Segen ihrer Eltern dieses eine, besondere Mal. Geduldig warteten sie in langen Schlangen, den eisigen Temperaturen trotzend, bis sich die Türen der Basketballarena um halb elf schließlich öffneten.

Messias und Rockstar

Drinnen gab es Popcorn, Cola und Rap-Musik. Eintritt hatte niemand bezahlt, das Spektakel, das alle erwarteten, kostete kein Geld, sondern nur Geduld. Um halb zwölf erklang die amerikanische Nationalhymne, doch danach hieß es, weiter warten. Die Halle füllte sich. Sie fasst 18.000 Menschen und war gegen halb eins schließlich fast voll besetzt. Die Wartenden unterhielten sich und ihre Nachbarn mit einer Stadionwelle nach der anderen. Dann wurden die ersten Sprechchöre geprobt: "Yes, we can".

Um halb zwei schließlich wurde die Menge belohnt: Barack Obama betrat die Bühne im Innenraum der großen Halle. Den 46-jährigen Senator aus Illinois, der angetreten ist, der mächtigste Mann der Welt zu werden, einen Messias zu nennen, ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich wird er hier gefeiert wie ein Rockstar. Frauen kreischen, Teenies flippen aus, er muss Autogramme geben, sich fotografieren lassen und wenn er spricht, sind auch Männer ganz ergriffen.

Cool, jung und ungewöhnlich

Vor ein paar Wochen, als Obama schon einmal in Washington DC geredet hat, mussten Tausende vor der Tür bleiben –nachdem sie auch damals stundenlang in der Kälte gewartet hatten. Seitdem hat Obamas Wahlkampfteam dazugelernt. Der Ort der Rede am Montag war kurzfristig in die größte Halle auf dem Campus der Universität verlegt worden, als sich wieder ein Massenauflauf abzeichnete. Am Tag davor waren auch fast 20.000 Menschen in die Messehalle in Virginia Beach geströmt. Um eine halbe Stunde Barack Obama zu hören.

Hier geht nicht ein Ruck durch das Land, hier schwappt eine Welle über den Kontinent. Die Menschen werden auf ihr getragen von der Hoffnung, dass es jemanden gibt, der anders ist als die anderen Politiker. Der cool ist und jung und ungewöhnlich. Deswegen kommen sie zu Tausenden – nicht nur zu seinen Wahlkampfreden, sondern auch zu den Wahlurnen. Sie schenken ihm nicht nur ihre Zeit, sondern auch ihre Stimme. Maryland, Virginia und Washington DC hat Obama im Sturm erobert. Noch am Dienstag Abend war er weiter gezogen – nach Wisconsin, in die nächste große Halle.