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Merkel will lückenlose Aufklärung

8. September 2009

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine Aufklärung der auf Anordnung der Bundeswehr erfolgten Bombardements in Afghanistan versprochen. Dennoch bleibt Verteidigungsminister Fanz Josef Jung in der Schusslinie.

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Ein Soldat sichert das Gebiet (Foto: AP)
Der Luftangriff in der Nähe von Kundus wird von den Nato-Kräften untersuchtBild: AP
Merkel im Portrait, kritisch blickend (Foto: AP)
Sie fordert eine lückenlose AufklärungBild: AP

Der von der Bundeswehr angeforderte Luftangriff in Afghanistan hatte ein parlamentarisches Nachspiel. Nach wachsendem Druck der Opposition - aber auch aus der SPD - hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag (08.09.2009) im Bundestag eine Regierungserklärung zu dem Vorfall abgeben. Die Kanzlerin sprach zivilen Opfern ihr Bedauern aus: "Jeder in Afghanistan unschuldig umgekommene Mensch ist einer zu viel. Wir fühlen mit ihnen und ihren Angehörigen." Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls sei ein Gebot der Selbstverständlichkeit - "ohne Beschönigung, aber auch ohne Vorverurteilung der Bundeswehr", so Merkel.

Der Afghanistan-Einsatz an sich steht für die Kanzlerin jedoch nicht zur Debatte. "Wir wissen, wie viele Afghanen uns bitten, sie nicht allein im Kampf mit den Taliban zu lassen. Deutschland ist dem Dienst des Friedens in der Welt verpflichtet. Der Afghanistan-Einsatz ist unsere Reaktion auf den Terror." Der Terror sei von dort gekommen, nicht umgekehrt, so die Kanzlerin.

Merkel fordert eine "Übergabestrategie"

Die Bundeskanzlerin will deshalb zusammen mit Frankreich und Großbritannien noch in diesem Jahr eine Afghanistan-Konferenz einberufen. "Wie kann Kriminalität, Korruption und Drogenhandel in Afghanistan eingedämmt werden? Wie können Menschenrechte garantiert werden? Dazu erwarte ich Ziel- und Zeitvorgaben - auch von der afghanischen Seite", sagte die Kanzlerin in ihrer Regierungsrede. Merkel will wissen, wann die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen kann: "Wir wollen eine Übergabestrategie und ein Afghanistan, dass selbst seine Sicherheit garantieren kann."

Jung im Portrait (Foto: dpa)
Steht unter Druck: Verteidigungsminister JungBild: AP

Die Kritik an Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat sich nicht nur an der hohen Opferzahl bei dem Luftschlag entzündet, sondern auch am Krisenmanagement des Ministers. Vor Merkels Regierungserklärung hat Jung den tödlichen Bombenangriff auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan erneut gerechtfertigt. Als Oberst Georg Klein die Entscheidung getroffen habe, sei er von einer Bedrohung "auch und gerade" für die deutschen Soldaten ausgegangen, sagte der CDU-Politiker in Berlin.

Jung verteidigt Kommandeur

Jung betonte nach der Sitzung, der deutsche Kommandeur habe sich in einem schwierigen Abwägungsprozess befunden. "Denn wenn Taliban mit Gewalt in den Besitz von derartigen Tanklast-LKW kommen, dann ist das eine erhebliche Gefährdung für unsere Soldaten, zumal es entsprechende Informationen gab, dass solche Anschläge geplant worden sind." Bei dieser Abwägung habe auch eine Rolle gespielt, dass die Soldaten in der Region in eine weitere Operation eingebunden gewesen seien, bei der es bereits Anschläge mit Verwundeten gegeben habe.

Der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, verglich Jung mit einem seiner Vorgänger, dem glücklos agierenden Rudolf Scharping (SPD). Dem ARD-Morgenmagazin sagte Nachtwei, die Informationspolitik des Ministers sei verheerend gewesen. Einen Rücktritt, wie ihn die Linke fordert, lehnte Jung ab.

Künast fordert Jung-Rücktritt

Künast im Portrait (Foto: AP)
Renate Künast von den Grünen fordert den Rücktritt von JungBild: AP

Für Cem Özdemir von den Grünen ist klar: "Eine Entschuldigung für die Zivilbevölkerung ist angebracht. Mit Herrn Jung sitzt anscheinend ein Sicherheitsrisiko in der Bundesregierung." Seine Parteikollegin Renate Künast geht noch einen Schritt weiter: "Eigentlich muss der Mann weg." FDP-Parteivorsitzenden Guido Westerwelle kommentierte Jungs Verhalten ebenfalls direkt: "Die Informationspolitik der Bundesregierung zu dem Vorfall war eine Katastrophe."

Unions-Politiker verlangen Ausstiegsszenario

Seehofer hebt seine Arme (Foto: AP)
Horst Seehofer fordert, den Deutschen müsse besser erklärt werden, warum die Bundeswehr am Hindukusch militärisch agiertBild: AP

Und auch in der Union wird Kritik an der Informationspolitik zum Afghanistan-Einsatz laut. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der "Leipziger Volkszeitung", die Menschen müssten mehr darüber informiert werden, was in dem Land wirklich passiere. "Von der nächsten Bundesregierung erwarte ich eine ehrliche Begründung für das zivile Aufbauprojekt in Afghanistan, das unter militärischem Schutz stattfindet, und eine Strategie für den Truppenabzug."

Der CDU-Europaabgeordnete und Außenpolitiker Elmar Brok forderte eine konkrete Perspektive für den Abzug vom Hindukusch. "Wir brauchen ein glaubwürdiges Ausstiegsszenario", sagte er der "Frankfurter Rundschau" vom Dienstag. "Selbst ein Zeitraum von fünf Jahren ist zu lang." Es müsse nachdenklich stimmen, dass die Nato nach so vielen Jahren der Anwesenheit in Afghanistan noch immer nicht in der Lage sei, in der unmittelbaren Nachbarschaft ihrer Stützpunkte für Sicherheit zu sorgen, kritisierte der Außenpolitiker. (mbö/je/dpa/afp/ARD)