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Robuster Arbeitsmarkt

28. Januar 2010

Der deutsche Arbeitsmarkt ist in den letzten Jahren flexibler und aufnahmefähiger geworden. Auch die Krise hat an diesem Trend kaum etwas geändert. Das liegt vor allen am Strukturwandel.

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VW-Produktionsstrasse 1954 (Foto: AP)
Eine VW-Produktionsstraße aus dem Jahr 1954 - Damals waren die meisten Menschen in der Industrie beschäftigtBild: AP

Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich in der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte bisher robust gezeigt. Im vergangenen Jahr wurden im Durchschnitt 3,4 Millionen Menschen als arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote stieg auf 8,2 Prozent, 0.8 Prozentpunkt höher als 2008. Im gleichen Zeitraum ist die Wirtschaftsleistung in Deutschland um fünf Prozent geschrumpft.

Dass der Arbeitsmarkt von einer ähnlichen Krise wie in der Realwirtschaft verschont geblieben ist, haben wir vor allem der Kurzarbeit zu verdanken. Über eine Million Menschen nutzen im Moment dieses Instrument. Es soll den Unternehmen helfen, bei einem Aufschwung nicht unter Fachkräftemangel zu leiden. Ein anderer Grund für die stabile Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt liegt darin, dass es in Deutschland gar nicht so einfach ist, Mitarbeiter zu entlassen. Eine Kündigung ist nur unter zwei Voraussetzungen möglich, sagt Werner Eichhorst, Arbeitsmarktexperte vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA): "Zum einen, wenn es zu einer betrieblichen Umstrukturierung oder Schließung kommt. Auf der anderen Seite ist eine Kündigung natürlich auch möglich nach schweren persönlichen Verfehlungen."

Umfangreiche Rechte eines Arbeitnehmers

Dr. Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) (Foto: IZA)
Dr. Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA)Bild: IZA

Neben den hohen Hürden für eine Kündigung hat der deutsche Arbeitnehmer Anspruch darauf, dass sich der Arbeitgeber zur Hälfte beteiligt an den Sozialversicherungsabgaben, das umfasst Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung. Er profitiert von einem ausgebauten System der betrieblichen Mitbestimmung. Er hat Recht auf bezahlten Urlaub, in der Regel sechs Wochen pro Jahr. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt 38,5 Stunden. 2007 verdiente ein Vollzeitbeschäftigter im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor durchschnittlich 41.000 Euro brutto im Jahr.

In dieser relativ glücklichen Lage dürfen sich diejenigen wähnen, die eine unbefristete Vollzeitstelle haben. Das sind in Deutschland sechs von zehn Arbeitnehmern. Weniger zu lachen haben diejenigen, die in so genannten atypischen Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, insbesondere Zeitarbeit, auch Leiharbeit genannt. Leiharbeit und Zeitarbeit meinen im Grunde das gleiche, sagt Arbeitsmarktexperte Werner Eichhorst. "Allerdings wird Leiharbeit vor allem von den Kritikern und den Gegnern des Instruments verwendet, um den vielleicht bedenklichen Charakter dieser Arbeitsform zu kritisieren", so Eichhorst weiter.

Leiharbeit = Zeitarbeit

Eine Kundin betritt in Oldenburg eine Filiale der Drogeriekette Schlecker (Foto: AP)
Der Fall Schlecker rief Forderungen nach Gesetzesänderungen hervorBild: AP

Dieser bedenkliche Charakter wurde im jüngsten Fall der Drogeriemarktkette Schlecker wieder deutlich. Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, ihren Mitarbeitern gekündigt zu haben, um sie anschließend in einer von Schlecker selbst gegründeten Leiharbeitsfirma zu beschäftigen - allerdings für nur rund die Hälfte des ursprünglichen Lohns.

Der eigentliche Sinn der Zeitarbeit besteht darin, die Auftragsspitzen in den Betrieben abzudecken. Doch hat sie sich laut Werner Eichhorst seit den Arbeitsmarktreformen deutlich ausgeweitet: "Es ist derzeit vor allem ein Phänomen der verarbeitenden Industrie, in der Metall,- Elektroindustrie und Automobilindustrie, dass Zeitarbeiter längerfristig beschäftigt werden." Allerdings zu Löhnen, die unter dem bislang in diesen Branchen üblichen Niveau liegen.

Sie sind auch die ersten, die in einer Krise entlassen werden. Gerade meldete der Flugzeugbauer Airbus, dass im Laufe des Jahres mehr als 1000 Leiharbeiter am deutschen Standort Hamburg abgebaut werden.

Fast drei Viertel im Dienstleistungssektor

Taxikolonne in Berlin (Foto: AP)
Auch sie sind Teil des Dienstleistungssektors - die TaxifahrerBild: AP

Auch die Gesamtzahl der in der Industrie Beschäftigten nimmt weiter ab. 2008 sind nur noch 22 Prozent der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe zu finden. Gleichzeitig wächst die Bedeutung der Dienstleistungen für den deutschen Arbeitsmarkt. Fast drei Viertel aller Erwerbstätigen waren 2009 in diesem Sektor beschäftigt. Der Ausbau in diesem Bereich liefert einen weiteren Grund für den bisher krisenresistenten Arbeitsmarkt, indem die Beschäftigungsverluste in der Industrie von einem wachsenden Dienstleistungssektor aufgefangen werden konnten. "Die aktuelle Situation ist auch durch einen Strukturwandel gekennzeichnet. Die Industrie baut langsam ab, und auf der anderen Seite baut der Dienstleistungssektor noch immer auf", sagt Werner Eichhorst von IZA.

Doch für 2010 sind Experten und auch die Bundesregierung weniger optimistisch. Das Instrument Kurzarbeit dürfte bald ausgereizt sein. Die Bundesregierung erwartet eine durchschnittliche Arbeitslosenzahl von 3,7 Millionen. Die Arbeitslosenquote würde damit auf 8,9 Prozent ansteigen.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel