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Brasilien bei der Popkomm 2006

Nele Jensch21. September 2006

Brasilien ist nicht nur das größte Land Südamerikas und Heimat des Karnevals - "Brasilien" ist ein weltweiter Trend geworden. Kultusminister Gilberto Gil zufolge will Brasilien nun auch führendes Musikland werden.

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Brasilien will in der Musikbranche wegweisend seinBild: DW

Grasgrün und kanariengelb ist eine Farbkombination, der man häufig begegnet: auf Baseball-Kaps, Bikinis und Kugelschreibern, auf kleinen Fähnchen an Kühlerhauben. Die fröhlich-grellen Farben Brasiliens haben sich in Europa manifestiert - auch auf dem Messegelände der Popkomm. Man findet sie auf den T-Shirts der Messe-Mitarbeiter und sogar als Aufdruck auf dem Fußboden, der den Weg zum brasilianischen Refugium weist.

Erstes Partnerland außerhalb Europas

Musik Messe Popkomm in Berlin Brasilien
Die Exportinitiative "Música do Brasil" will auf der Popkomm den Absatz brasilianischer Musik fördernBild: DW

Im Vergleich zu den übrigen Räumlichkeiten des ICC Berlin ist Halle 16 klein, 200 Quadratmeter umfasst sie und sieht genauso aus, wie man sich einen modernen Tempel der Popmusik vorstellt: rund, säulenbestückt und von der Decke bis zu den Sitzgelegenheiten in jungfräulichem Weiß gehalten. Vor dieser Kulisse präsentiert sich Brasilien als Partnerland der Popkomm, das dieses Jahr zum ersten Mal von außerhalb Europas kommt. Dabei geht es nicht nur um Musik: An den Ständen liegen Kataloge aus, in denen sich die palmenübersäten Sandstrände Brasiliens aneinander reihen, an der Bar werden Gratis-Hochland-Espresso und brasilianische Appetithäppchen serviert.

Brasilien gelingt es wie kaum einem anderen Land, Kapital aus den Assoziationen zu schlagen, die es im Ausland weckt. Auf Grund seiner verhältnismäßig stabilen politischen Verhältnisse im ansonsten beständig brodelnden Südamerika ist Brasilien zum beliebten Reiseziel avanciert. Ausgelassenes Feiern beim Karneval, schöne Frauen und gute Fußballer: Brasilien vermarktet nicht nur Urlaub und Musik, sondern ein Lebensgefühl - das der absoluten Lebensfreude. Bei der Popkomm ist von tropischer Wildnis allerdings nicht viel zu spüren, sanfte Bossa-Nova-Klänge untermalen die für Messe-Verhältnisse beinahe heimelige Atmosphäre.

"Brasilianische Musik ist sehr vielschichtig"

Musik Messe Popkomm in Berlin Brasilien
Der Musiker Cacau Brasil mischt Altes mit NeuemBild: DW

"Die Popkomm ist eine gute Gelegenheit, andere Künstler zu treffen und meine Musik vor internationalem Publikum zu präsentieren", sagt Cacau Brasil. Eigentlich sieht er nicht so aus, wie man sich einen typischen brasilianischen Star vorstellt: Er trägt eine Brille und hat einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, Starallüren gehen ihm ebenfalls ab. In seiner Musik vereint er traditionelle brasilianische Elemente mit modernem Pop. Das sei typisch für die brasilianische Musikszene, erklärt Iris Vobbe, Mitarbeiterin der Popkomm und Brasilien-Kennerin. "Die brasilianische Musik ist sehr vielschichtig, das Spektrum reicht von Samba über Raggae und Favela bis zum Rock", so Vobbe. Diese verschiedenen Stile vermischen sich untereinander ebenso wie mit Einflüssen aus anderen Ländern - Vobbes Ansicht nach ist das einer der Gründe für den Boom brasilianischer Musik in den USA und Europa.

Identität durch Musik

Die Eigenart, verschiedene Stile miteinander zu mischen, hat Tradition in Brasilien. Der Star-Musiker und jetzige Kulturminister Brasiliens Gilberto Gil ist einer der bekanntesten Vertreter des "Tropicália", einer kulturell-politischen Bewegung, die Anfang der 1960er-Jahre entstand und die Zustände in Brasilien unter der damaligen Militärdiktatur scharf kritisierte. "Tropicália" verbindet den Bossa Nova mit internationaler Rock- und Popmusik und wird seit Ende der 90er auch von elektronischer Musik beeinflusst.

Am Beispiel Gils wird deutlich, dass Musik in Brasilien nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine politische Dimension besitzt. Die Frage, welche Musik die ihre ist, beschäftigt die brasilianische Jugend ebenso sehr wie soziale und ökonomische Themen.

Aufstieg zur Weltspitze

Brasilien Kulturminister Gilberto Gil in Berlin
Brasiliens Kulturminister Gilberto Gil musste der während der Militärdiktatur nach England emigrierenBild: AP

"Die brasilianische Musik ist mehr als Samba und Bossa Nova und mit mehr als 350 Stilrichtungen der wichtigste Ausdruck der Kultur meines Landes", sagte Gil am Donnerstag (20.9.2006) bei der Popkomm. Er sähe es gerne, wenn die kulturelle Tradition zu wirtschaftlichem Gewinn führen würde. "Rund 80 Prozent der Musik, die heute von den 190 Millionen Brasilianern gehört wird, sind einheimische Rhythmen", sagt Gil. Diesen Erfolg wolle das südamerikanische Land auch international nutzen - und damit zu den weltweit wichtigsten Ländern für Musikproduktion aufsteigen.

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Michel Nicolau, Koordinator der Exportinitiative "Música do Brasil", geht davon aus, dass brasilianische Firmen während der Popkomm einen Umsatz von 150.000 US-Dollar erzielen werden. Und das ist erst der Anfang: "Die Messe dient nicht nur zur Musik-Publizierung an die Konsumenten, sondern auch zur Kontaktsuche und Terminvereinbarung von Shows und Festivals", erläutert Vobbe. Nicolau rechnet mit zusätzlichen 300.000 Dollar nach der Messe.