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Medwedew will mehr Demokratie wagen

16. April 2009

Kreml-Kritiker und NGOs hat Ex-Präsident Putin in den vergangenen Jahren mit unterschiedlichsten Gesetzen bekämpft. Jetzt hat sich sein Nachfolger erstmals von dieser Politik distanziert und Änderungen versprochen.

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Dmitri Medwedew und die Menschenrechtsaktivistin Ella Panfilova (Foto: AP)
Medwedew versprach den Bürgerrechtlern Gesetzes-änderungenBild: AP

Als Dmitri Medwedew vor knapp einem Jahr das Zepter von Wladimir Putin übernommen hat, hofften viele in Europa auf einen demokratischen Frühling in Russland. Immerhin hatte der Ziehsohn Putins immer wieder verkündet, er wolle für mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im größten Land der Erde sorgen. Doch lange schien sich nichts zu ändern. Nichtregierungsorganisationen klagten über bürokratische Schikanen, Regierungsgegner wie Garry Kasparow wurden auf Demonstrationen weiterhin festgenommen – und immer wieder gab es unaufgeklärte Morde an Kreml-kritischen Journalisten.

Und jetzt das: Ausgerechnet auf einen der schärfsten Gegner Putins ging Medwedew zu und gab der oppositionsnahen Zeitung "Nowaja Gaseta" das erste Zeitungsinterview überhaupt. Er sei gegen das Prinzip "Wurst statt Freiheit", sagte Medwedew dem Blatt, für das auch die 2006 ermordete Journalistin Anna Politkowskaja gearbeitet hatte.

Dmitri Medwedew reicht der Menschenrechtsaktivistin Ella Panfilova die Hand (Foto: AP)
Unter Putin unmöglich: Dimitri Medwedew reicht der Menschenrechtsanwältin Ella Panfilova die HandBild: AP

"Ihre Arbeit ist nicht leicht"

Teil zwei der rechtsstaatlichen Offensive: Ein Empfang von Bürgerrechtlern im Kreml, bei dem er sich auch noch deutlich von seinem Vorgänger distanziert. So kritisierte er bei dem Treffen am Mittwoch (15.5.2009) das unter Putin verschärfte Gesetz für Nichtregierungsorganisationen (NGO). "Es ist klar, dass Ihre Arbeit nicht leicht ist", sagte er den Aktivisten – und stellte Änderungen in Aussicht. "Ich glaube Änderungen sind möglich und

teilweise sogar notwendig." Weiter ins Detail ging Medwedew aber nicht. Das Gesetz schreibt vor, dass sich jede NGO beim Staat registrieren lassen muss. Zudem wurde die Kontrolle der Finanzen verschärft.

Dass Medwedew sein Wort diesmal halten könnte, ist nicht ganz abwegig: Schon zuvor hatte er die unter Putin verschärften Medien-, Extremismus- und Spionagegesetze gekippt. Eine von ihm initiierte Gesetzesänderung, die die Parteienregistrierung vereinfachen soll, passierte am Mittwoch die Staatsduma.

Nur kleine Schritte

Nun sagen einige Experten allerdings, all das seien nur kleine Schritte, der große Wurf einer Liberalisierung des Landes lasse weiter auf sich warten. Skeptiker, die Medwedew gern als Marionette Putins bezeichnen, werfen dem Juristen außerdem vor, als Spitzenpolitiker diese "harten Gesetze" in der Vergangenheit mitgetragen zu haben.

Ob sich Medwedew mit diesen Initiativen nun wirklich von seinem Freund Putin löst, ist eine der am kontroversesten diskutierten Fragen in politisch interessierten Kreisen in Russland. Immerhin kritisiert Medwedew anders als Putin Wahlrechtsverstöße. Er verlangt die Bestrafung korrupter Staatsdiener, und er tadelt die Regierung unter ihrem Chef Putin für zu langsames Arbeiten in Krisenzeiten.

Gibt es einen Richtungskampf?

Beobachter vermuten seit längerem, dass zwischen dem liberalen Machtlager um Medwedew und autoritären Kräften um Putin ein Richtungskampf im Gange ist. Bisher aber fehlen echte Hinweise dafür. "Putin ist nur etwas in den Hintergrund getreten", meint ein Diplomat in Moskau. Das Führungstandem Medwedew/Putin halte fest zusammen. Einige sehen sowohl bei Medwedew als auch bei Putin den Willen, das Land zu modernisieren.

Und das hat vielleicht auch mit der Krise zu tun. Jetzt, da die Energiepreise wegen der weltweiten Rezession im Keller sind, ist das "Rohstoff-Selbstbewusstsein" der Machthaber vorerst weggebrochen - meint jedenfalls ein westlicher Diplomat. "Der Kreml versteht, dass Russland nur durch Modernisierung sein Ziel, ein starker Spieler in der Welt zu werden, verwirklichen kann."

Geduld, Geduld

Im Interview mit "Nowaja Gaseta"-Chefredakteur Dmitri Muratow mahnte Medwedew zur Geduld. Für viele Russen sei der Demokratie-Begriff der 1990er Jahre unter Präsident Boris Jelzin noch immer mit schmerzhaften Erinnerungen verbunden, weil das Land wirtschaftlich dem Zerfall ausgesetzt war. Kritiker wie der frühere Öl-Milliardär Michail Chodorkowski räumten zuletzt ein, dass es unter Medwedew positive Veränderungen in Russland gebe.

Chodorkowski muss sich als Ex-Chef des Yukos-Konzerns derzeit erneut vor Gericht wegen Unterschlagung und Geldwäsche in Milliardenhöhe verantworten. Der Journalist Muratow spielte in dem Interview mit dem Präsidenten darauf an, dass eine neue Verurteilung in dem wohl politisch motivierten Verfahren doch absehbar sei - wie üblich in Russland. Medwedew aber warnte davor, das Vertrauen in die russische Justiz aufzugeben. Das Urteil sei eben nicht "vorausbestimmt". (mag/SC/dpa/afp/)