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Künstler Ai erneut im Visier des Staates

1. November 2011

Vier Monate nach seiner Freilassung haben die Steuerbehörden dem chinesischen Künstler Ai Weiwei eine Millionenforderung zugestellt. Der Regimekritiker sieht das als weiteren Versuch, ihn zum Schweigen zu bringen.

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Der chinesische Künstler Ai Weiwei (Foto: Archiv/dapd)
Der Künstler Ai sieht sich als Opfer politischer VerfolgungBild: dapd

Der regimekritische chinesische Künstler Ai Weiwei soll 15 Millionen Yuan, umgerechnet 1,7 Millionen Euro, an die Pekinger Steuerbehörden zahlen. Vier Monate nach seiner Freilassung aus der Haft habe ihm das Steuerbüro in Peking einen entsprechenden Zahlungsbescheid zugestellt, sagte der 53-Jährige am Dienstag (01.11.2011) in Peking. Er habe zwei Wochen Zeit, um die Summe zu begleichen. Anderenfalls könnten die Behörden ihn festnehmen und inhaftieren. "Die Regierung benutzt das als eine Art der Rache gegen solche, die anderer Meinung sind, egal ob sie Künstler oder Schriftsteller sind", sagte Ai Weiwei. "Das ist dumm, weil die ganze Welt zuschaut."

Der Künstler, der wegen seiner Kritik am System als "soziales Gewissen" Chinas gilt, sieht hinter dem Vorgehen politische Verfolgung. "Dieses Land wird stärker, während es seine eigenen Bürger ungerecht und schlecht behandelt, um abweichende Meinungen zu beseitigen", sagte Ai Weiwei. Er sei besorgt, dass die Behörden das Gesetz missbrauchten, um ihn zu verfolgen. "Wenn sie einer Person, wenn sie mir schaden wollten, ginge das noch", erklärte der Künstler. "Aber wenn sie das Gesetz verletzen, trifft es das gesamte Land."

Behörden beschlagnahmten Unterlagen

Demonstration für die Freilassung von Ai (Foto: dpa)
Aktivisten demonstrierten für die Freilassung des KünstlersBild: picture alliance / dpa

Es geht nach Angaben des Künstlers um 5,3 Millionen Yuan Steuernachzahlung, 6,8 Millionen Yuan Strafe und drei Millionen an verspäteten Zahlungen. Ai zeigte sich verwundert über die Forderung. "Es gibt für mich keine Möglichkeit, auf den Vorwurf einzugehen." Er wisse nicht, wessen er beschuldigt werde, weil ihm keine Papiere gezeigt worden seien, sagte der Künstler. "Ich kenne keine Beweise."

Kontobuch und Buchhaltung seien von den Behörden beschlagnahmt worden und seitdem "verschwunden". Er werde aber nicht zahlen, bevor ihm die Polizei beschlagnahmte Bilanzbücher seines Design-Büros zurückgegeben und erlaubt habe, seinen früheren Bürochef und Buchhalter zu treffen, kündigte Ai an. "Wir können diese Summe zahlen, aber wir müssen wissen, warum", fügte er hinzu. "Es würde einen nicht verantwortbaren Schaden für das Land bedeuten, wenn wir diese Summe übergäben, ohne Näheres zu wissen." Die Behörden kommentierten den Vorgang nicht und wollten keine Stellung nehmen.

Der staatlichen Willkür ausgeliefert

Ai sagte weiter: "Dieses Land hat immer noch die Vorstellung: Wenn ich will, dass du stirbst, dann musst du sterben." Die Regierung wisse, dass niemand und nicht einmal das Recht die Bürger schützen könne. "Deswegen sind sie so hochmütig." Die Behördenvertreter wüssten nicht einmal, dass sie nicht stellvertretend für das Land stünden, sagte Ai Weiwei. "Ein Land sollte Recht und Demokratie schützen."

Der Künstler war bereits Anfang April wegen angeblicher Steuervergehen festgenommen und anschließend an einem unbekannten Ort festgehalten worden. Unter internationalem Druck war er nach fast drei Monaten Haft Ende Juni gegen Kaution und unter strengen Auflagen freigelassen worden. Als sein Design-Büro damals widersprach, wurde ihm mitgeteilt, dass für ein Jahrzehnt keine Körperschaftssteuer bezahlt worden sei. Ohne Genehmigung darf er Peking nicht verlassen und offiziell keine Interviews geben.

Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, dapd)

Redaktion: Reinhard Kleber