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Korea: Teilung verbindet

Kerstin Hilt20. Juli 2005

Zum ersten Mal gibt es ein Treffen von nord- und südkoreanischen Autoren - eine kleine kulturelle Sensation. Die Spannung ist groß: Viel wissen die Kollegen von dies- und jenseits des Zauns nicht voneinander.

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Pompöse Kulisse für das geplante Schriftstellertreffen in PjöngjangBild: dpa

Einmal kurz über die Grenze sehen durfte er, als er im letzten Jahr dort war - mehr nicht, erzählt Günther Butkus, Chef des auf koreanische Literatur spezialisierten Pendragon-Verlags aus Bielefeld. Auf Einladung Südkoreas hatte er dort seine Autoren besucht und neue kennen gelernt. "Aber Kontakt mit nordkoreanischen Schriftstellern", so sein Eindruck, "das war offiziell nicht erwünscht." Und als 1989 der südkoreanische Autor Hwang Sok-yong einer Einladung des nordkoreanischen Schriftstellerverbands nach Pjöngjang gefolgt war, verschwand er bei der Rückkehr in seine Heimat für fünf Jahre im Gefängnis. Woher also der Sinneswandel?

Überraschende Landpartie

Der südkoreanische Schriftsteller Hwang Sok Yong
Er musste wegen seiner Kontakt zu Nordkorea hinter Gitter: Der südkoreanische Schriftsteller Hwang Sok-yongBild: dpa

"Wie alle anderen hier in Korea auch, waren wir von dem Treffen ganz schön überrascht", heißt es beim Goethe-Institut in Seoul. Verleger, Journalisten, der ganze Literaturbetrieb: Alle wollen sie erst in letzter Minute davon erfahren haben. Am Mittwoch (20.7.) hat das mehrtägige Treffen in Pjöngjang begonnen, mehr als 200 Schriftsteller nehmen daran teil, und auch eine Landpartie in die nahegelegenen nordkoreanischen Berge ist geplant.

Pendragon-Verlag Butkus Soosan
Verleger Günther Butkus mit einem seiner AutorenBild: presse

"Im Moment passt das ganz gut in die politische Großwetterlage - die beiden Koreas nähern sich gerade einander an ", meint Verlagsleiter Butkus. Tatsächlich gab es in den letzten Wochen bereits mehrere Hilfslieferungen in das auch dieses Jahr von einer Hungerkatastrophe bedrohte Nordkorea, und unlängst hat der nordkoreanische Diktator Kim Jong Il die Wiederaufnahme der so genannten Sechser-Gespräche über sein Atomprogramm angekündigt. Deutlich bessere Bedingungen also als im letzten Sommer, als schon einmal ein solcher Autoren-Gipfel im Gespräch gewesen war.

Strahlende Helden, überwachte Gespräche

Ausschnitt Norkorea Sozialistische Heldenverehrung
In nordkoreanischen Romanen wird meistens nur gejubelt: Propaganda-Plakat in PjöngjangBild: dpa

Doch was werden sich die Schriftsteller jenseits der politischen Entspannungsgeste überhaupt zu sagen haben? "Die sind wahrscheinlich erst einmal ziemlich neugierig aufeinander ", vermutet Peter Ripken von der Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Denn in beiden Staaten sind kaum Bücher des jeweiligen Nachbarlands erhältlich, auch im demokratischen Südkorea nicht. Das mag auch daran liegen, dass die offiziell geförderte Literatur aus dem kommunistischen Norden nicht gerade ansprechende Lektüre verheißt: "Da wimmelt es von strahlenden kommunistischen Helden, die das Land aufbauen", berichtet Ripken. "Das ist eindeutig Literatur, die im Dienste der Politik steht." Ähnlich vorhersehbar, vermutet er, würden wohl auch die Gespräche bei dem Treffen ablaufen - thematisch begrenzt und auf keinen Fall unbeobachtet.

Günther Butkus vom Pendragon-Verlag sieht das ein wenig entspannter. "Sowohl die nord- als auch die südkoreanischen Autoren sind in der Lage, zwischen den Zeilen zu lesen", sagt er. Schließlich habe auch Südkorea erst seit 1987 einen frei gewählten Präsidenten; die dortigen Autoren könnten sich noch gut an die Zeit unter einem autoritären Regime erinnern. "Auch in einer solchen Situation kann gute Literatur entstehen", meint Butkus. "Und was Nordkorea angeht, bin ich mir sicher, dass da einiges in der Schublade schlummert."

Eine Kurtisane als Entspannungsagentin

Korea Gastland der Frankfurter Buchmesse 2005 Enter
Korea Gastland der Frankfurter Buchmesse 2005 Enter

Einige wenige Ausnahmen haben es bereits jetzt aus den Schubladen auf die Büchertische geschafft - auch jenseits der Grenze. Zum Beispiel ein Roman des nordkoreanischen Autors Hong Sok-zung, der erst kürzlich - auch das ein Novum - in Südkorea mit dem Manhae-Literaturpreis ausgezeichnet wurde: "Hwang Zin-i" heißt das Buch und handelt von einer ebenso schönen wie gebildeten Kurtisane aus dem - damals noch ungeteilten - Korea des 17. Jahrhunderts. Ein Roman, der von Thematik und Ausdruck angelegt ist wie ein einziger Vorschlag zur Güte: Für das nordkoreanische Publikum konnte Hong, gedeckt durch den vergleichsweise unverfänglichen Rückgriff auf Historisches, erstmals auch über ein erotisches Sujet schreiben. Die südkoreanischen Leser wiederum waren von der Vielschichtigkeit seines Stils begeistert: Hong schöpft aus der Tiefe eines tradierten Sprachfundus, der im sich radikal modernisierenden Süden fast schon verloren gegangen ist.

Und so könnte es passieren, meint Verleger Butkus, dass die Autoren bei ihrem Treffen entgegen aller Erwartungen ganz literaturgemäße Gesprächsthemen finden würden. "Sie haben eine jahrhundertealte gemeinsame Geschichte, sie alle haben unter der japanischen Kolonialherrschaft gelitten, und die Teilung in Nord- und Südkorea hat auf beiden Seiten menschliche Härten mit sich gebracht." Literatur als Agent der Annäherung? Wie auch immer das Treffen ausgehen wird: Die Hindernisse auf diesem Weg werden wohl weiter beträchtlich bleiben. Die Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse, wo sich im Oktober Korea als Schwerpunktland präsentieren wird, hat Nordkorea jedenfalls Anfang Juni abgesagt.