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Kommunwahlwahlen in Venezuela

Sabine Prokschat/ Caracas21. November 2008

Die Mittelschicht will den Urnengang nutzen, um Präsident Hugo Chávez einen Denkzettel zu verpassen. Doch von der armen Bevölkerung wird Chávez nach wie vor fast wie ein Heiliger verehrt.

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Wahlkampf in Venezuela - Hugo Chávez im KleinformatBild: AP

Wahlkampf im Zentrum von Caracas: Anhänger von Claudio Fermín haben einen Stand aufgebaut und verteilen Broschüren. Aus den Lautsprechern schallt laute Salsamusik – eigens für den Kandidaten komponiert. Claudio Fermín will Bürgermeister in einem Stadtteil von Caracas werden. Sein größter Nachteil ist gleichzeitig sein größter Vorteil: Er ist nicht in der Partei von Hugo Chávez. Denn die Unterstützung für den Präsidenten bröckelt. "Mit Recht", findet Angel Díaz, einer der Passanten am Wahlstand. "Früher habe ich Chávez gewählt aber heute würde ich das nicht mehr machen. Auch niemanden aus seiner Partei. Die Leute sind sehr enttäuscht."

Reichtum und Korruption

Der Grund für die wachsende Unzufriedenheit ist Chávez‘ so genannter Sozialismus des 21. Jahrhunderts, den er mit den immensen Ölvorkommen des Landes finanziert.

Venezuela Russland Hugo Chavez kündet Seemanöver an
Hugo Chávez - die Hauptfigur im KommunalwahlkampfBild: AP

"Venezuela ist reich. Aber die Müllabfuhr, die Krankenhäuser, die Kriminalitätsbekämpfung - nichts funktioniert richtig", beklagt sich Angel Díaz. "Nur das Benzin bleibt billig. Hier an der Tankstelle kostet ein Liter umgerechnet drei Cent. Aber gehen sie in den Supermarkt. Wir haben die höchste Inflationsrate in Lateinamerika."

Chávez allgegenwärtig

Am 23. November werden in Venezuela 23 Gouverneure und 330 Bürgermeister gewählt. Und obwohl es um Regionalwahlen geht, fehlt der Präsident auf keiner wichtigen Wahlkampfveranstaltung. Chávez Rhetorik findet vor allem Zuspruch bei den Menschen aus den ärmeren Vierteln von Caracas.

"Vor zehn Jahren war Chávez für uns wie ein Messias. Aber dann wurde deutlich: Dieser Mann ist ein Fanatiker", sagt Angel Díaz. Fanatisch klingt vor allem auch Chávez‘ Drohung, nach dem Wahlergebnis Panzer aus den Kasernen zu holen: Im Falle eines Erfolges der Opposition will der Präsident in einigen Provinzen mit dem Militär einmarschieren.

Die Oligarchie, so Chávez in einer seiner zahlreichen Reden, dürfe auf keinen Fall wieder an die Macht kommen, damit der soziale Wandel in Venezuela nicht gefährdet werde.

Sozialer Fortschritt

"Er hat das Recht zu drohen. Denn wenn die Opposition auf den Straßen für Unruhe sorgt, muss er eingreifen - das verdient Respekt", findet Margarita Bastardo. Sie steht am Wahlstand des Bürgermeisterkandidaten der PSUV- der Partei von Hugo Chávez.

Hugo Chavez-Unterstützer in Venezuela
Chávez-Anhänger beherrschen das Straßenbild in CaracasBild: AP

"Dank der Bildungsprogramme des Präsidenten konnte ich studieren. Das wäre vorher nicht möglich gewesen. Die Regierung hilft den sozial Schwachen, Alten, Kranken, Frauen und Kindern – das überzeugt die Menschen. Daran wird auch der niedrige Ölpreis nichts ändern. Im Gegenteil: die Finanzkrise hat gezeigt, dass es richtig war sich von den USA zu lösen", ist Margarita Bastardo überzeugt.

Und neben den Sozialprogrammen ist es vor allem die Ausstrahlung von Hugo Chávez selbst, die Wähler wie Margarita Bastardo überzeugt: "Einmal kam der Präsident an unsere Universität und ich sah ihn persönlich. Ich musste weinen und er nahm mich in den Arm. Dieser Mann hat unglaubliches Charisma. Er ist eine Erscheinung."

Anhänger wenden sich von Chávez ab

Momentan regieren Chávez‘ Anhänger noch in 18 Bundesstaaten. Dreimal so viel wie die Opposition. Doch mittlerweile wenden sich auch ehemalige Chavisten ab - Das Land ist gespalten. Kennzeichnend dafür tritt bei den anstehenden Wahlen auch die Ex-Frau von Hugo Chávez an: Als Bürgermeisterkandidatin – und zwar für die Opposition.

Sie spricht offen aus, was viele Venezolaner derzeit beunruhigt: "Auf dem Land und in Armenvierteln kann der Präsident zwar weiter punkten. Doch der Ölreichtum geht Hand in Hand mit Korruption, Inflation und Kriminalität. Und wie der Präsident die Sozialprogramme trotz sinkendem Ölpreis fortführen will, lässt er unbeantwortet!"

Nicht nur die Oberschicht, sondern zunehmend auch die Mittelschicht sieht die wachsenden Machtansprüche von Chávez als eine Gefahr für die venezolanische Demokratie. Die bevorstehende Wahl ist für sie der Anfang vom Ende der Ära Chávez.