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Ende der Eiszeit

Christina Bergmann11. November 2007

US-Präsident George W. Bush sucht neue Verbündete in Europa. Am Wochenende empfing er Bundeskanzlerin Angela Merkel, kurz davor den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Christina Bergmann kommentiert.

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Bild: DW

Zeit zum Aufatmen. Die transatlantische Eiszeit ist vorüber. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die USA auf der einen und Frankreich und Deutschland auf der anderen Seite ein neues Kapitel in den jeweiligen bilateralen Beziehungen aufschlagen wollen, dann ist er in dieser Woche erbracht worden.

Bushs Treue

Fernschreiber Christina Bergmann

Die ostdeutsche Physikerin und der Sohn eines ungarischen Emigranten sind dabei ihrem Temperament entsprechend unterschiedlich vorgegangen. Nicolas Sarkozy hat bei seiner Rede vor dem US-Kongress auf die lange gemeinsame Geschichte vor dem Zerwürfnis über den Irak-Krieg verwiesen, sich vor Begeisterung über Amerika fast überschlagen, und das Thema Irak vorsichtshalber ganz weggelassen. Er muss aufpassen, nicht zum neuen "Pudel" des US-Präsidenten zu werden und damit den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair zu beerben. Denn wer Einfluss haben will, muss sich auf Augenhöhe begeben.

Angela Merkel ist da schlauer. Sie hat die Einladung auf die Ranch und damit den präsidialen Ritterschlag erst angenommen, als ihre Beziehung zu George W. Bush schon gefestigt war - und sie ihm mehr als einmal die Meinung gesagt hatte. Der Präsident hat damit kein Problem. Wen er einmal ins Herz geschlossen hat, zu dem hält er - in guten wie in schlechten Zeiten, das hat er mehr als einmal bewiesen.

Weichen stellen

Doch es sind nicht nur die Temperamente und persönlichen Schicksale von Merkel und Sarkozy, die zu dem Schulterschluss beitragen. Alle Seiten sind sich bewusst, dass die Tage von George W. Bush gezählt sind. Sowohl Sarkozy als auch Merkel werden voraussichtlich noch mit Bushs Nachfolger - oder Nachfolgerin - Politik machen müssen. Da gilt es, rechtzeitig die Weichen zu stellen.

Und der US-Präsident versucht, in seinem letzten Amtsjahr noch zu retten, was zu retten ist. Zwar betont er immer wieder, dass er seine Politik nicht nach Meinungsumfragen ausrichtet und die Bilanz erst viel später gezogen werden wird. Aber so ganz ohne vorzeigbaren Erfolg will auch er nicht abtreten.

Aufeinander angewiesen

Beide Seiten haben also erkannt, dass es ohne die jeweils andere nicht geht. Die USA sind und bleiben die einzige Supermacht, die die Ressourcen und den Willen hat, sich in Krisen-Gebieten zu engagieren. Ganz ohne einflussreiche Verbündete geht es dabei allerdings nicht. Das "alte" Europa einfach abzuschreiben, wie es der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld getan hat, funktioniert nicht. Dazu haben die Länder des "neuen" Europa - bei allem Respekt - noch einen weiten Weg vor sich, bis sie auch nur annähernd das politische Gewicht von Deutschland und Frankreich erreichen.

Die Europäer wiederum haben erkannt, dass sie Krisen - von der Statusfrage des Kosovo über den Konflikt im Nahen Osten bis hin zur weltweiten Klimaveränderung - nicht allein lösen können. Sie brauchen die USA - auch im Atom-Streit mit dem Iran. Denn wer den diplomatischen Weg geht, tut dies erfolgreicher, wenn er eine Nation an der Seite hat, die - sollten alle anderen Möglichkeiten versagen - nicht davor zurückschreckt, ihre Soldaten in den Krieg zu schicken.