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Kommentar: Terror in Reinkultur

Peter Philipp18. April 2007

Die blutige Anschlagsserie zeigt erneut: Dem Terror im Irak fehlt jeder Anschein von Plan, Ziel oder Sinn. Angriffe auf Zivilisten sind die Regel geworden, betont Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Bild: DW
Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

Was in Bagdad geschieht, ist der blanke Wahnsinn: Tag für Tag werden Unschuldige getötet - Tag für Tag mehr - und das alles ohne auch nur den geringsten Schimmer von Plan, Ziel oder Sinn. Längst schon sind Angriffe auf die verhassten amerikanischen Besatzer die Ausnahme und Anschläge auf Zivilisten die Regel. Zivilisten, die einkaufen, die Arbeit suchen, die mit ihren Familien überleben wollen. Dies ist nicht Widerstand gegen Besatzer, aber auch kein Aufstand gegen eine unbeliebte Regierung. Dies ist Terror in Reinkultur: Der Irak soll nicht zur Ruhe kommen.

Keine Helden, nur Opfer


Aber warum? Diese Frage können vermutlich nicht einmal die beantworten, die hinter den Anschlägen stecken. Einmal sind dies Schiiten, dann wieder Sunniten, mit altem Hass aufeinander, mit offenen Rechnungen - Rechnungen, die mit jedem Anschlag neu aufgemacht werden. Dazu kommen noch die Terroristen aus dem Ausland, die "Freiwilligen", die an Euphrat und Tigris Ersatz für Afghanistan gefunden zu haben glauben. Bei den Gewalttaten in Bagdad geht es nicht darum, die gegenwärtige Regierung zu vertreiben und die Macht zu übernehmen.

Die hier bomben - oder ihre Hintermänner – sitzen zum Teil mit in verantwortlichen Stellen und andere wollen gar keine Verantwortung übernehmen. So, wie es bei Muktada al-Sadr scheint, dem wilden Schiitenführer, der gerade seine Minister aus der Regierung zurückgezogen hat. Ihm und seinesgleichen scheint nicht an Regierungsverantwortung gelegen zu sein, sondern nur daran, sich als Helden aufzuspielen in einem Spiel, das doch keine Helden kennt, sondern immer mehr nur Opfer.

Angst vor einem zweiten Saigon

Und dann gibt es die Hauptakteure: Die Amerikaner hier und die glücklose Regierung Nuri al-Malikis da. Es bedarf nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, dass Washington lieber heute als morgen das Irak-Abenteuer beenden möchte - aber nicht unter dem Druck der Terroristen. Bagdad soll kein zweites Saigon werden. Da stimmen selbst amerikanische Oppositionelle der Regierung George W. Bushs zu.

Aus dieser Not heraus wurde der Plan geboren, zuerst einmal mit einer Truppenverstärkung und einer intensiven "Sicherheitsoperation" in Bagdad Ruhe und Ordnung herzustellen und dann die Übertragung von Verantwortung auf die Schultern der irakischen Regierung voranzutreiben. Zumindest nominell hat diese Regierung gerade die vierte von 18 Provinzen übernommen, in Bagdad aber verschärft sich die Lage. Und niemand glaubt ernsthaft, dass Malikis Ankündigung umgesetzt werden kann, bis zum Jahresende das ganze Land zu kontrollieren.

Besatzer und Regierung werden die Lösung nicht finden. Umso wichtiger sollte es ein, dass beide den Dialog mit den Nachbarn fortsetzen und sich - wie geplant - in Ägypten zu einer zweiten Runde treffen. Nur alle zusammen - mit der Unterstützung auch direkt nicht Beteiligter - können vielleicht einen Ausweg ersinnen.