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Koalition umgeht Bundesrat bei Sparpaket

21. Juni 2010

Die Regierungskoalition will das Sparpaket in zwei Gesetze aufteilen. So soll verhindert werden, dass der Bundesrat das komplette Paket ablehnt. Die Opposition ist empört und spricht von "Tricksen, Tarnen, Täuschen".

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Ein Paket in schwar-rot-goldenes Papier eingewickelt und nett verschnürt (Foto: dpa)
Für viele ist das Sparpaket der Bundesregierung ein schwarzes TuchBild: picture-alliance/dpa

Die Bundesregierung will das größte Sparpaket in der bundesdeutschen Geschichte weitgehend ohne Zustimmung der Länder durchsetzen. Hintergrund: Sollte es - wie abzusehen - in Nordrhein-Westfalen zu einem rot-grünen Machtwechsel kommen, hätte die Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP im Bundesrat keine Mehrheit mehr. Es werde einen Teil geben, der keine Zustimmung des Bundesrates benötige, und einen kleineren Teil, der zustimmungspflichtig sei, sagte am Montag (21.06.2010) der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Otto Fricke, der "Berliner Zeitung". Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios muss die Länderkammer wohl nur die Streichung des Heizkostenzuschusses billigen - und das sind lediglich 100 Millionen Euro an Einsparungen in dem rund 80 Milliarden Euro starken Sparpaket.

In vielen Fällen steckt der Teufel beim geplanten Sparen aber im Detail. Inwieweit ein Mitbestimmungsrecht der Länder gegeben ist, hängt im Einzelfall von der genauen Formulierung des Gesetzes ab. Diese Texte liegen jedoch bislang nicht vor. Die Koalition dürfte alles daran setzen, zustimmungsfreie Formulierungen zu finden, um den Einfluss der Opposition zu begrenzen.

Diskussion um AKW-Laufzeiten

Unklar ist die Lage bei der Frage längerer Laufzeiten der Atomkraftwerke (AKW). Das Kanzleramt verneint die Zustimmungspflichtigkeit; Bundesumweltministerium, Opposition und viele Rechtsexperten sind allerdings anderer Ansicht, weil die Länder mehr Geld für die Atomaufsicht aufwenden müssten. Sind die AKW-Laufzeiten zustimmungspflichtig, würde dies auch für die geplante Brennelementesteuer gelten, sofern die Koalition beides miteinander verknüpft. Nicht zustimmungspflichtig wäre eine Brennelementesteuer ohne Verknüpfung mit den AKW-Laufzeiten.

Die Opposition kündigte hier bereits scharfen Protest an: Die NRW-Grünen drohen mit einer Verfassungsklage gegen längere Laufzeiten. Die SPD begründete grundsätzlich die von ihr geplante rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen unter anderem damit, dass nur so Vorhaben der Bundesregierung im Bundesrat gestoppt werden könnten.

Mitbestimmungsrechte der Länder

Detailaufnahme einer Demonstration gegen die Sparpläne in Stuttgart (Foto: AP)
Die geplanten Kürzungen sorgten für viele Proteste in DeutschlandBild: AP

Unstrittig sind die Überlegungen beim Abbau von Beamtenstellen des Bundes und dem vorläufigen Verzicht auf den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Hier gibt es keine Zustimmungspflicht des Bundesrates, also kann die Koalition im Alleingang handeln. Auch so genannte disponible Ausgaben, zum Beispiel gesetzlich nicht vorgeschriebene Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarktes, kann die Koalition im Alleingang streichen.

Der Bundesrat muss immer dann zustimmen, wenn ein Bundesgesetz Verwaltungshandeln der Länder berührt oder in finanzielle Angelegenheiten der Länder eingreift. Deshalb sind die von der Koalition geplanten Änderungen von Sozialleistungen möglicherweise zustimmungspflichtig, sofern daraus Folgelasten für Länder oder Kommunen entstehen. Ein Ja des Bundesrates ist deswegen wohl erforderlich für die Streichung der Rentenbeiträge für Hartz-IV-Empfänger, weil die Kommunen dann künftig mehr Geld für die Grundsicherung im Alter aufbringen müssen.

Insgesamt sollen 80 Milliarden eingespart werden

Horst Seehofer (Foto: AP)
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer nimmt die Diskussion gelassenBild: AP

Das Sparpaket der Bundesregierung soll bis 2014 insgesamt Einsparungen von rund 80 Milliarden Euro bringen. CSU-Chef Horst Seehofer versuchte, den Streit um die Beteiligung des Bundesrates herunterzuspielen: "Das erlebe ich seit 30 Jahren in der Politik, ganz gleich wer regiert. Das ist doch ein ganz normaler Vorgang, dass eine Regierung versucht, ihren Haushalt so aufzuteilen, dass sie möglichst wenig Zustimmung der Länderkammer braucht."

Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, kritisierte dagegen den Plan, die Gesetzesvorhaben zu splitten: "Die Idee der Bundesregierung, das Sparpaket am Bundesrat vorbeizuschleusen, ist ein Offenbarungseid." Für ihn ist klar: Die Regierung traue sich nicht mehr zu, Mehrheiten für ihre Politik zu organisieren. Die Grünen warfen der Regierung vor, sich nicht einer ehrlichen Diskussion um die soziale Schieflage des Sparpakets stellen zu wollen. "Mit der Aufteilung des Sparpakets setzt die schwarz-gelbe Koalition ihre Haushaltstaktik vom Tricksen, Tarnen, Täuschen weiter fort", sagte der Haushaltsexperte der Grünen, Alexander Bonde.

Autor: Marcus Bölz (afp, dpa)

Redaktion: Dirk Eckert