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50 Jahre Unabhängigkeit in Nigeria

1. Oktober 2010

Seit Monaten schon werden in Nigeria die Jubiläumsfeiern zur Unabhängigkeit vorbereitet. Umgerechnet 81 Millionen Euro soll das Spektakel kosten. Doch viele Nigerianer sind skeptisch: Gibt es überhaupt etwas zu feiern?

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Plakat zu 50 Jahren Unabhängigkeit Nigeria
Geburtstagsfeier mit gemischten GefühlenBild: Katrin Gänsler

Den Unabhängigkeitstag wird Father Michael Ekpenyong nie vergessen. "Ich war damals Schulkind. Es gab Paraden, und dann wurde der Union Jack abgenommen und die nigerianische Flagge gehisst", strahlt der heutige Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz in Abuja. Und dann stimmt er die nigerianische Nationalhymne an und singt. Ganz ähnlich geht es Michael Adeyo, wenn er an den 1. Oktober 1960 zurück denkt. Er wuchs in einem Dorf in Ekiti State im Südwesten des Landes auf. "Damals haben wir zum ersten Mal ein Auto gesehen. Und anschließend gab es Reis für alle." Doch weitaus wichtiger war für ihn etwas ganz anderes: In seinem Bundesstaat wurde das Schulgeld abgeschafft. "Wir waren so dankbar, weil wir weiter zur Schule gehen konnten und das, ohne auf die Unterstützung unserer Eltern angewiesen zu sein."

Militärherrschaft, Biafra-Krieg und Öl-Boom

Foto von Professor Remi Anifowose
Professor Remi Anifowose: "Die Menschen sind unzufrieden."Bild: Katrin Gänsler

So positiv wie den Unabhängigkeitstag bewerten die allermeisten Nigerianer die darauf folgenden 50 Jahre kaum. Schließlich hat das Land, in dem heute rund 150 Millionen Menschen leben, eine extrem wechselvolle Geschichte hingelegt. "Während dieser 50 Jahre stand Nigeria alleine rund 30 Jahre unter Militärherrschaft", sagt Professor Remi Anifowose von der Universität in Lagos. "Die Politiker haben die Menschen einfach immer wieder enttäuscht." Vor allem bei der Bevölkerung in den südöstlichen Bundesstaaten wuchs die Unzufriedenheit in den 60er Jahren. 1967 riefen sie deshalb die Republik Biafra aus. Bis 1970 tobte ein blutiger Segregationskrieg, bei dem zwischen eine und drei Millionen Menschen ums Leben kamen. Ausgerechnet dort begann anschließend in den 70er Jahren der Öl-Boom, von dem die Masse der Einwohner bis heute nicht profitiert.

Konflikte zwischen Christen und Muslimen im Norden

In den drei Jahrzehnten danach hat vor allem der Norden regelmäßig Schlagzeilen gemacht. Immer wieder kommt es zu Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen. Erst im März sind bei Kämpfen bei Jos, der Hauptstadt von Plateau-State, mehrere hundert Menschen gestorben. Dabei sind sich viele Nigerianer sicher: Religion wird oft nur als Ursache vorgeschoben. Tatsächlich geht es um die Verteilung von Ressourcen und Macht, aber auch um massive Unzufriedenheit mit der politischen und wirtschaftlichen Situation des Landes.

Strommast, aus dem Kabel hängen
Wartung? Fehlanzeige. Die Stromversorgung ist überall im Land marodeBild: Katrin Gänsler

Daher will sich bei vielen Menschen in dem einwohnerstärksten Land Afrikas keine Feiertagslaune einstellen. Rund 70 Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze, jeder Dritte ist arbeitslos, die Straßen sind marode, die Stromversorgung in weiten Teilen des Landes eine Katastrophe. In der Hauptstadt Abuja und in der Wirtschaftsmetropole Lagos kommt außerdem extremer Wohnungsmangel hinzu. "Dabei wollen die Menschen doch eigentlich nur ein bescheidenes Leben: Sie wollen Sicherheit, eine Arbeit, ein funktionierendes Transportsystem und eine Wohnung", sagt Professor Anifowose.

Hoffnung auf die Wahlen im kommenden Jahr

Auf Schildern steht, dass hier für die Bevölkerung gebaut wird
Ob Steuergelder wirklich für den Straßenbau genutzt werden, bezweifeln vieleBild: Katrin Gänsler

Doch ob das in Zukunft möglich sein wird? Eine Verbesserung könnten die Wahlen im kommenden Jahr bringen. Die Erwartungen sind jedenfalls hoch, und als Zeichen in die richtige Richtung beurteilen viele beispielsweise das neue Wahlregister. Doch auf der anderen Seite bleibt eine gehörige Portion Skepsis. Denn Politik ist in Nigeria hauptsächlich eine gute Einnahmequelle. "Viele machen das einfach nur, um berühmt, mächtig und reich zu werden", beurteilt der Professor aus Lagos. Father Ekpenyong hat trotzdem die Hoffnung noch nicht aufgegeben: "Ich hoffe und bete, dass wir das einfach besser können als in den vergangenen 50 Jahren."

Autorin: Katrin Gänsler
Redaktion: Carolin Hebig