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Keine Annäherung zwischen Chávez und Uribe

30. Juli 2010

Beim Treffen der UNASUR-Außenminister in Quito gab es keine Annäherung zwischen Venezuela und Kolumbien. Jetzt ruhen die Hoffnungen auf dem neuen Präsidenten Kolumbiens, Santos, der sein Amt in einer Woche antritt.

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Die Präsidenten von Kolumbien, Álvaro Uribe, und Venzuela, Hugo Chávez (Foto: AP)
Widersacher Álvaro Uribe (li.) und Hugo ChávezBild: AP/ dpa/ DW-Montage

Die Außenminister des südamerikanischen Staatenbundes UNASUR waren am Donnerstag (29.07.2010) in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito zusammengekommen um im Streit zwischen den verfeindeten Nachbarländern Kolumbien und Venezuela zu vermitteln. Nachdem Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe vor einer Woche vor der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington vermeintliche Beweise über die Präsenz von Camps der linksgerichteten FARC-Guerrilla auf venezolanischem Staatsgebiet vorgelegt und Präsident Hugo Chávez beschuldigt hatte, über 1500 Kämpfer in seinem Land zu beherbergen, hatte Venezuela die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abgebrochen und die Truppen an der Grenze zu dem Nachbarland in Alarmbereitschaft versetzt.

Nachdem die Außenminister in dem Streit nichts ausreichten konnten, regte der ecuadorianische Außenminister Ricardo Patiño jetzt einen außerordentlichen Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur Beilegung der Krise an. Kommende Woche will sich auch der UNASUR-Generalsekretär und frühere argentinische Präsident Néstor Kirchner zunächst mit Chávez in Caracas und anschließend, am 6. und 7. August am Rande der Feierlichkeiten zur Amtsübernahme des neuen kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos, mit der Regierung in Bogotá treffen.

Dr. Karl-Dieter Hoffmann, Leiter des Zentralinstituts für Lateinamerika-Studien (ZILAS) an der Katholischen Universität Eichstätt (Copyright: K.-D. Hoffmann)
Dr. Karl-Dieter Hoffmann, Leiter des Zentralinstituts für Lateinamerika-Studien (ZILAS) an der Katholischen Universität EichstättBild: Dr. Karl-Dieter Hoffmann

Über die Hintergründe des Konflikts zwischen Kolumbien und Venezuela hat DW-WORLD.de hat mit Karl Dieter Hoffmann, dem Leiter des Zentralinstituts für Lateinamerikastudien an der Katholischen Universität Eichstätt, gesprochen.

DW-WORLD.de: Herr Hoffmann, bei dem Treffen der UNASUR-Außenminister konnte kein Ausweg aus der Krise gefunden werden. Überrascht Sie das?

Karl-Dieter Hoffmann: Eigentlich nicht. Ich glaube, alle Beteiligten hatten von Anfang an wenig Hoffnung, dass man sich in Quito auf einen Kompromiss einigen würde. Es soll zwar in den Gesprächen eine zeitlang so ausgesehen haben, dass man sich auf einen gemeinsamen Text einigen konnte, aber Venezuela soll dann doch im letzten Moment seine Bereitschaft zur Unterzeichnung dieses Dokuments wieder revidiert haben.

Was ist denn der zentrale Punkt, der eine Einigung immer wieder verhindert?

In dem Dokument standen natürlich wieder die kolumbianischen Forderungen, nämlich, dass alle Nachbarländer darauf achten sollten, dass sich irreguläre bewaffnete Gruppen - gemeint sind die beiden Guerilla-Organisationen FARC und ELN, die ja hauptsächlich in Kolumbien operieren - nicht in die Grenzgebiete der Nachbarländer zurückziehen und dann, beispielsweise von Venezuela oder Ecuador aus, nach Kolumbien eindringen um dort ihre Aktionen durchzuführen.

Venezuela war nicht bereit eine solche Verpflichtung zu unterschreiben. Wahrscheinlich hätte Präsident Chávez das als indirekte Anerkennung des Vorwurfs aus Kolumbien gewertet, dass Venezuela die FARC-Guerilla unterstützt. Das wollten die venezolanischen Delegationsteilnehmer nicht akzeptieren.

Nicolás Maduro, der Außenminister von Venezuela, warf Kolumbien vor dem Gipfeltreffen" Verleumdung, Manipulation und Lügen" vor. Hat er damit Recht?

Die ehemalige Nummer Zwei der FARC, Raúl Reyes (Foto: AP)
FARC-Anführer Raúl Reyes wurde in Ecuador getötetBild: AP

Die Beschuldigungen Kolumbiens, dass Venezuela der Guerilla Rückzugsräume bietet, stehen schon länger im Raum. Aber diese neuen Dokumente, die Kolumbien vor einer Woche auch der OAS und der Presse vorgestellt hat, konnten bislang noch nicht von einer unabhängigen Stelle überprüft werden. Es wäre natürlich wichtig, dass diese Dokumente neutral geprüft würden.

Es gab ja schon einmal ganz deutliche Hinweise auf die Verbindungen zwischen der FARC und Venezuela. Vor zwei Jahren hat man nach der Bombardierung eines FARC-Lagers auf ecuadorianischem Gebiert entsprechende Unterlagen gefunden. Bei dem Angriff der kolumbianischen Luftwaffe im März 2008 ist der zweite Mann der FARC, Raúl Reyes, zu Tode gekommen. Auf seinem Computer und in den schriftlichen Unterlagen gab es deutliche Hinweise darauf, dass Venezuela von höchster Stelle aus die FARC unterstützt. An den Vorwürfen Kolumbiens ist also schon etwas dran.

Venezuelas Staatspräsident Hugo Chávez und Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe verstehen sich auch persönlich nicht gut. Von welcher Bedeutung ist es für das Verhältnis zweier Länder, wenn sich die Staatschefs überhaupt nicht mögen?

Das spielt in diesem Fall bestimmt eine ganz wichtige Rolle. Es gab in den letzten Jahren ein ständiges Auf und Ab in den Beziehungen zwischen Kolumbien und Venezuela. Chávez und Uribe haben sich ja mehrfach schon gestritten, um sich dann wieder vor laufenden Kameras wieder zu versöhnen und zu umarmen.

Der venezolanische Präsident Chávez und sein kolumbianischer Amtskollege Uribe umarmen sich (Foto: AP)
Vor drei Jahren waren Chávez und Uribe noch gute FreundeBild: AP

Man könnte jetzt sagen, die Sache ist ja bald vorbei, denn am 7. August wird der neue kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos in das Amt eingeführt. Er hat bereits angekündigt, dass er versuchen wird, die Beziehungen zu Venezuela zu verbessern. Aber Uribe hat ihm jetzt kurz vor Beginn seiner Präsidentschaft doch noch einmal kräftig in die Suppe gespuckt. Santos muss jetzt bei Null anfangen.

Andererseits, auch wenn Uribe die jetzige Eskalation bewusst provoziert haben sollte: Chávez kommt das gar nicht so ungelegen. In Venezuela stehen im September Parlamentswahlen an. Der Streit mit Kolumbien bietet ihm einen willkommenen Anlass um von der Wirtschaftsmisere in seinem Land abzulenken. Chávez muss zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt vor 12 Jahren befürchten, dass er im Parlament keine Mehrheit mehr haben wird. Und von daher nutzt er jetzt diese Spannung, die er auch kräftig mitschürt, um eventuell in den nächsten Wahlen seine Chancen etwas zu verbessern.

Ist damit zu rechnen, dass sich vor der Amtsübergabe in Kolumbien überhaupt noch etwas in diesem Streit bewegen wird?

Ich glaube nicht. Vor allem weil die Spannungen von kolumbianischer Seite nicht weiter geschürt werden. Kolumbien hat nicht reagiert auf die Ankündigung von Chávez, die Truppenstärke an der Grenze zu erhöhen. Kolumbianische Soldaten sind in genau denselben Kontingenten dort vertreten wie noch vor drei Monaten. Es hat von kolumbianischer Seite keine Truppenverstärkung gegeben. Wohl aber von venezolanischer Seite, das hatte Chávez ja auch angekündigt, um damit theatralisch darzulegen, wie ernst er diese Spannungen nimmt. Aber Kolumbien hat nicht entsprechend reagiert, so dass es nicht danach aussieht, dass es wirklich zu einem bewaffneten Konflikt an der Grenze zwischen beiden Staaten kommt.

Kolumbiens zukünftiger Präsident Juan Manuel Santos ist ein enger Freund von Noch-Präsident Uribe. Heißt das auch automatisch, dass das Verhältnis von Santos zu Chávez genau so schlecht sein wird wie zwischen Uribe und Chávez?

Das kann man so nicht sagen. Von Santos gab es die Bekundungen, dass er an einer Verbesserung der Beziehungen interessiert ist, was immer das dann konkret heißen mag. In der Vergangenheit war es immer so, dass Chávez die Gelegenheit, wenn sie ihm innenpolitisch gelegen kam, beim Schopf gepackt hat um die Beziehung zu Kolumbien zu verschlechtern.

Der neue Kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos (Foto: AP)
Auf dem neuen Präsidenten Santos ruhen jetzt die Hoffnungen auf VersöhnungBild: Juan Manuel Santos

Im letzten Jahr ging der Streit um die Militärbasen der USA. Und der Vorwurf, der jetzt im Raum steht ist nicht neu: Chávez hat sich nur darüber geärgert, dass Uribe das Problem ohne vorherige Absprache vor die OAS gebracht hat. Es ist noch nicht ganz klar warum Uribe just zu diesem Zeitpunkt so gehandelt hat. Denn letztendlich hat er Chávez damit einen Gefallen getan. Für ihn ist das ein gefundenes Fresse um von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken und die Bevölkerung auf andere Dinge zu konzentrieren als die Wirtschaftsmisere, die in Venezuela herrscht und immer schlimmer wird.

Wie kann eine Lösung in dem Konflikt aussehen, und wann wird es sie geben?

Jetzt sollen die Präsidenten der UNASUR-Mitgliedsstaaten zusammenkommen. Es sind nur noch ein paar Tage bis Uribe sein Amt an den Nachfolger übergibt. Ich glaube nicht, dass Chávez in diesen Tagen zurückweicht. Danach wird es anders aussehen. Aber es wird seine Zeit brauchen, bis der neue kolumbianische Präsident Santos entsprechende Schritte unternehmen kann. Es wird für Chávez immer noch ausreichen um dieses Thema weiterhin innenpolitisch auszuschlachten.

Interview: Marco Müller
Redaktion: Mirjam Gehrke