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(K)ein neues "Florida" bei den US-Wahlen?

Daniel Scheschkewitz16. Oktober 2004

In den USA werden Stimmen lauter, die vor einem erneuten Wahlfiasko wie 2000 warnen. Unsichere Wahltechnik, verwirrende Regeln und dubiose Praktiken von Wahlbehörden bilden Voraussetzungen für ein Déjà-vu-Erlebnis.

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Verhindert "Help America Vote Act" ein erneutes Wahlchaos?Bild: AP
Supreme Court in Washington
Entscheidet erneut der Oberste US-Gerichtshof über die Wahl?Bild: AP

Lochkarten-Stimmzettel im Bundesstaat Florida verursachten bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 ein wahres Auszählungsdebakel. Die Wahl wurde schließlich vom Obersten US-Gerichtshof entschieden. Antiquierte Wahlverfahren und bürokratische Fehler führten zu Unklarheiten bei der Stimmauszählung. Inzwischen hat der Gesetzgeber daraus Konsequenzen gezogen. Aber neues Chaos erscheint vorprogrammiert und könnte die Präsidentschaftswahl 2004 wieder zu einer Angelegenheit der Rechtsanwälte und Richter machen.

Schutz des Stimmrechts

Nach Schätzungen des amerikanischen Amtes für Bevölkerungsstatistik konnten bei der Wahl 2000 zwischen 1,5 und drei Millionen US-Bürger ihr Stimmrecht nicht ausüben. Sei es, weil sie versehentlich aus den Wählerverzeichnissen gestrichen worden waren, sei es, weil sie sich beim falschen Wahlbüro gemeldet hatten, oder weil die Computer ihre Namen einfach nicht gespeichert hatten. Damit es nicht noch einmal zu derart fundamentalen Einschränkungen des Wahlrechts kommt, wurde im Jahr 2002 das "Help America Vote"-Gesetz verabschiedet.

Provisorische Wahlscheine

Wahlurne mit Wahlzettel
Die entscheidende Frage lautet, wer darf wo wie wählenBild: Bilderbox

Danach können in allen 50 Bundesstaaten und über 3.000 Wahlkreisen der USA am Tag der Wahl provisorische Wahlscheine an Personen ausgegeben werden, die zwar ein Wahlrecht beanspruchen, sich aber - beispielsweise wegen eines Umzugs - nicht im örtlichen Wählerverzeichnis wieder finden. Solche Personen können also im Wahllokal nicht mehr, wie noch vor vier Jahren, abgewiesen werden, sondern dürfen ihre Stimme abgeben. In einem späteren Schritt wird dann überprüft, in welchem Wählerverzeichnis der betreffende Wähler aufgeführt ist.

Manipulationen bei Wählerregistrierung?

Doch diese Vorkehrung sorgt nun selbst für Ärger. Die Republikaner fürchten, es könnten sich Personen das Wahlrecht erschleichen, die gar nicht wahlberechtigt sind. Michael Steel, republikanischer Vize-Gouverneur im Bundesstaat Maryland kritisiert das Verfahren der Wählerregistrierung. So sei unklar, ob jeder, der in die Wählerverzeichnisse eingetragen wurde, auch tatsächlich wahlberechtigt sei und die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle, wie zum Beispiel eine gültige Adresse im Wahlkreis. Bei Stichproben wollen republikanische Wahlbeauftragte Wähler in den Listen vorgefunden haben, die bereits verstorben waren oder deren Adresse gar nicht existierte. Auch die Demokratische Partei hat landesweit über 10.000 Rechtsanwälte aufgeboten, die sicherstellen sollen, dass am 2. November auch wirklich jeder wählen kann.

Kein allgemein gültiges Wahlverfahren

USA Karte mit Flagge
Kein allgemein gültiges Wahlverfahren in den USA

In den USA gibt es kein allgemein gültiges Wahlverfahren und jeder Staat, ja sogar einzelne Wahlbezirke, können ihre Richtlinien eigenständig festlegen. In fünf der am härtesten umkämpften US-Bundesstaaten - Ohio, Florida, Michigan, Missouri und Colorado - muss die Frage, unter welchen Bedingungen provisorische Wahlscheine gezählt werden, schon von den Gerichten entschieden werden. Angesichts der zu erwartenden knappen Entscheidung im Rennen zwischen Präsident Bush und John Kerry könnte es am Wahltag auf jede Stimme ankommen.

Erneutes Chaos in Florida?

Jimmy Carter
Jimmy Carter wirft Florida versuchten Wahlbetrug vorBild: AP

Unterdessen sind auch die ersten ausländischen Wahlbeobachter in den USA eingetroffen. Auf Einladung des US-Außenministeriums wird eine Delegation von 100 Experten der OSZE diese US-Präsidentschaftswahl beobachten. Schon jetzt gibt es kritische Stimmen, wie die des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter, die meinen, vor allem in Florida seien die Voraussetzungen für eine faire Wahl nicht gegeben. Im südlichsten Bundesstaat der USA gibt es weder eine unparteiische Wahlkommission noch einen einheitlichen Wahlmodus, nach dem die Stimmabgabe vollzogen wird.