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"Integration in die EU kann nicht aufoktroyiert werden"

5. Juli 2007

Im Interview mit DW-RADIO spricht Miroslav Lajcak, der neue Hohe Repräsentant in Bosnien-Herzegowina, über neue Spielregeln, politischen Stillstand und ehrgeizige Ziele.

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Bild: DW

DW-RADIO: Herr Lajcak, die Rolle des internationalen Bosnien-Beauftragten betrachten Sie – wie Sie selbst sagen – als die eines Schiedsrichters beim Fußballspiel. Er muss auf dem Platz scharf reagieren, wenn es ein Foul gibt und den Spieler raussetzen, der die übrigen Mitspieler oder Gegner blockiert. Werden denn in Bosnien-Herzegowina bald rote und gelbe Karten verteilt und werden Sie sie überhaupt verteilen? Die Vollmacht dazu haben Sie.

Miroslav Lajcak: Ich glaube nicht, dass es das Ziel eines Schiedsrichters ist, wenn er auf den Platz geht, so viele rote und gelbe Karten wie möglich zu verteilen. Meiner Meinung nach verfolgt jeder Schiedsrichter genau das Gegenteil. Das tue ich auch. Ich gehe davon aus, dass die Spieler auf dem Platz die Absicht haben, fair und ehrlich zu spielen, damit es ein gutes Spiel wird. Mit diesem Gefühl gehe ich heran, aber ich muss natürlich auf den Verlauf des Spiels reagieren.

Um im Bild zu bleiben: Bislang haben sie das Spiel aus dem Publikum verfolgt. Wie war es?

Gemischt. Mir scheint, es gibt Spieler, die nach anderen Regeln spielen und sich dessen nicht bewusst sind, welches Spiel sie da spielen. Manchmal waren auch zu viele Schiedsrichter mit eigenen Spielregeln auf dem Feld. Zunächst einmal müssen wir uns nun auf die Spielregeln einigen und darauf, wer wofür zuständig ist.

Ihrer Aussage nach ist Bosnien-Herzegowina im Vergleich zu seinen Nachbarländern am weitesten von Brüssel entfernt. Wie konnte dies in einem Land geschehen, wo im Gegensatz zu allen Staaten in der Region die internationale Gemeinschaft und die EU sichtlich präsent sind?

Die Integration in die EU und Fortschritte auf diesem Weg können nicht von außen aufoktroyiert werden. Die politische Dynamik in diesem Land war einfach in den vergangenen 17 Monaten so, dass ein Stillstand eingetroffen ist. Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass alle anderen aus der Region nicht warten. Sie haben ihre ehrgeizigen Ziele und Pläne. Und es ist nicht nur so, dass Bosnien still steht, sondern diese Entfernung zu den anderen wird jeden Tag größer.

Die Politiker in Bosnien-Herzegowina erwecken den Anschein, dass sie sich im Augenblick nicht gerade mit Themen beschäftigen, die für die Bürger entscheidend sind. Viele Reformen sind in der Sackgasse, allen voran die Verfassungs- und Polizeireform. Haben Sie dafür einen Koffer mit Vorschläge und Ideen mitgebracht?

Ja und Nein. Zunächst einmal muss nichts Neues erfunden werden. Bosnien-Herzegowina hat den europäischen Weg vor sich. Das ist ein Weg, den bereits viele Länder gegangen sind, und man weiß genau, was getan werden muss. Die Hauptsache dabei ist, dass sich die Politiker, die im Namen des Staates auftreten, auch im Namen des Staates kämpfen, und nicht im Interesse einer kleinen Gruppe oder von Wählern, denen sie dankbar sind. In diesem Fall kämpfen sie gegeneinander, statt sich gemeinsam für die Interessen des Staates Bosnien-Herzegowina stark zu machen.

Das Interview führte Mehmed Smajic
DW-RADIO/Bosnisch, 2.7.2007, Fokus Ost-Südost