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Im Land der Computerzombies

7. September 2004

Benutzerfehler! - Heißt es, wenn Computer eigenwillig reagieren. Aber die Kiste kann auch ferngesteuert sein und längst keinen eigenen Willen mehr haben. Ein Bericht aus dem Land der PZs: der Personal Zombies.

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Man könnte es fast persönlich nehmen: All die Versender von Werbemail für Potenzpillen, ungeprüfte Kredite, Glücksspiele in garantiert ehrlichen Online-Casinos - woher wissen die nur, dass man ungebremsten Bedarf an Sexpillen und Krediten hat und so doof ist, an die Ehrlichkeit eines Online-Croupiers zu glauben? Der Online-Mensch muss sich schon seine Gedanken ein wenig freischütteln, um zu merken, dass in den Augen eines Spammers auch Dagobert Duck noch Kredit braucht, und Agent 007 eine Pille für den kleinen James.

So lästig, ärgerlich, äh-bäh Spam ist, so sehr es die Leitungen verstopft und das Auffinden legitimer Mail erschwert - wirklich bedenklich ist eine andere Form von Werbung im Netz: gezielt platzierte Werbung.

Netzbürger erster Klasse

Ein Beispiel: Netzbürger Kane bucht eine Flugreise im Netz, und weil er und Frau Kane Hochzeitstag haben, geht es erster Klasse nach Paris. Wenn nun Netzbürger Kane das nächste Mal sein Online-Reisebüro betritt, muss er sich nicht wundern, wenn ihm zuerst weitere Angebote für Luxusreisen entgegenblinken, selbst wenn er nur eine Dienstreise nach Paderborn buchen will. Was ist passiert? Das Reisebüro hat eine kleine Textdatei auf Kanes Computer hinterlassen, ein sogenanntes "Cookie". Und weil Netzbürger Kane davon keine Ahnung und deshalb das Cookie auch nicht gelöscht hat, erkennt das Reisebüro Kanes Computer als den eines reichen Mannes wieder, der schon mal erster Klasse nach Paris geflogen ist.

Ein weiteres Beispiel, schon etwas schlimmer: Kane junior besorgt sich gerne Musik und Fotos von Britney (Spears), Christina (Aguilera) und Anastacia (Anastacia) im Netz, und weil Papa nichts davon wissen soll, Junior aber kein Geld für legale Downloads ausgeben will (tsk, tsk!), hat er sich ein Gratis-Tauschprogramm auf den heimischen Computer geladen. Damit ist der Nachschub an Bild und Ton von Popmäusen gesichert

- und ein paar seltsame Überraschungen auch. Wenn Netzbürger Kane nun die Seite einer, sagen wir: Autovermietung aufruft, kann es ihm passieren, dass zunächst bildschirmfüllend die Anzeige einer konkurrierenden Firma zu sehen ist.

Was ist denn nun los? In Juniors Tauschprogramm war sogenannte Spyware versteckt (irgendwo in den Nutzungsbedingungen, in Paragraf 85 oder so, stand sogar was davon, aber wer liest das schon), die jetzt ausforscht, welche Seiten im Hause Kane gerne gelesen werden - und entsprechende Werbung serviert. Dass diese Spionagesoftware auch andere Daten, Passwörter beispielsweise, oder Kreditkartennummern, vom heimischen Rechner ausliest und sonstwohin verschickt, ist zwar nicht unbedingt immer so - technisch möglich ist es aber allemal. Und Kane wird zum gläsernen Netzbürger.

Langsamer, flacher, schmutziger

Und noch ein Beispiel: Junior kann es ja nicht lassen, Papas Computer zu tunen. Das ist nützlich, weil Junior daran denkt, regelmäßig die neuesten Flicken für ein weitverbreitetes Betriebssystem herunterzuladen, ohne die Netzbürger Kane schon längst kein funktionierendes System mehr hätte. Juniors Drang zu neuer Technik kann aber auch schädlich sein. Da hatte er doch eine sogenannte Browserhilfe installiert, die das Browsen schneller, höher, weiter machen sollte. Tat sie aber nicht - das Browsen wurde langsamer, flacher und vor allem schmutziger. Und Netzbürger Kane wundert sich, dass er jetzt bei jedem Anmelden im Netz zuerst auf einer Partnervermittlungsseite landet, und hat Schwierigkeiten, diesen Umstand Frau Kane plausibel zu erklären; Junior spielt derweil den Ahnungslosen.

In diesem Fall ist eine besonders hinterhältige Form von Spyware mit dem Browser-Tuner mitgeliefert worden: sogenannte Malware, die den befallenen Rechner kapert und tun lässt, was der Besitzer eigentlich nicht will. Netzbürger Kane hat noch Glück gehabt, denn er hat nur Ärger mit der Gemahlin. Andere haben Ärger mit der halben Welt, denn die Malware auf ihrem Rechner machte sie (die Rechner, nicht ihre Besitzer) zu willenlosen Zombies, die nur auf ein Kommando ihres unbekannten, weit entfernten neuen Herrn warten, um groben und gefährlichen Unfug im Netz anzustellen - wie zum Beispiel Werbemail für Potenzpillen, Kredite und Online-Casinos zu verbreiten. Womit sich der Kreis dieses Netzblickes geschlossen hätte.

Junior hat Glück gehabt

Dabei hat Kane junior noch Glück gehabt, dass die Hormone nicht mit ihm durchgegangen sind, und er nicht die "Gratis"-Software installiert hat, die ihm Zugang zu wenig juniortauglichen Internetseiten verschafft hätte. Die Telefonrechnung von mehreren hundert bis tausend Euro hätte doch einige Fragen aufgeworfen.

Was tut der Netzbürger - rein prophylaktisch?

Ganz einfach: Er nutzt das einzige Mittel, das gegen bösartige Software hilft. Nicht einen großen Schmiedehammer, der hilft gegen Soft- und Hardware gleichzeitig. Gegen ungewollte Software hilft nur - Software. Weshalb Netzbürger Kane sich zuerst ein Anti-Spyware-Programm besorgt und dann ein ernstes Wort mit Junior spricht. Und dann bucht er einen weiteren Parisflug für seine Gemahlin und sich, damit die ständigen Anspielungen endlich aufhören.

Konstantin Klein

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