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Im Fluss versunken

8. Juni 2009

Weite Teile des Katastrophengebietes in Bangladesch stehen immer noch unter Wasser. Der einsetzende Monsun erschwert die humanitäre Hilfe und verzögert den Wiederaufbau.

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Obdachlose Frau mit Kindern in GaburaBild: picture alliance / dpa

“Die Menschen haben alles verloren. Niemand wird hier leben können, wenn der Damm nicht vor dem Eintreffen des Monsuns repariert wird”, sagt Shofiul Azam Lenin, Gemeindevorsitzender von Gabura im Distrikt Satkhira im Südwesten Bangladeschs. Seit vor zwei Wochen eine drei Meter hohe Flutwelle von Zyklon “Aila” den Damm zerstörte, liegt die 38000-köpfige Inselgemeinde schutzlos im reißenden Tidefluss. Hunderte von Inseln und Landstrichen im Strom des Brahmaputra und Ganges, die zusammen das größte Flussdelta der Welt bilden, sind von der Katastrophe betroffen. Der Monsun wird fuer diese Woche erwartet.

Laut Regierungsangaben sind mindestens 4.6 Millionen Menschen mittelbar betroffen, Hunderttausende obdachlos. Ein verbessertes Frühwarnsystem und zusätzliche Flutschutzbunker, eingerichtet nach dem Mega-Zyklon “Sidr” im November 2007, dem 3300 Menschen zum Opfer fielen, hat geholfen. Die Regierung spricht von 180 Toten. Die tatsächliche Opferzahl ist höher. In Gabura allein starben 34 Menschen, weitere 53 werden vermisst. In weiten Teilen des Katastrophengebiets hat anhaltendes Hochwasser den Menschen jegliche Lebensgrundlage - Garnelenzucht, Viehwirtschaft oder Subsistenzwirtschaft - entzogen.

Flucht vor der Flut

Frauen auf der Suche nach Trinkwasser
Auf der Suche nach TrinkwasserBild: DW
Die Menschen in Gabura haben auf Deichen, Dächern ihrer zerstörten Wellblechhütten, Bäumen und Moscheen Zuflucht genommen. Die Toten hat man im höher gelegen Dorf Shyamnagar bestattet. Die Trinkwasserversorgung ist zusammengebrochen. Hunderte von Familien haben Gabura schon verlassen. Sie habe bisher von der Regierung 5 Kilogramm Reis für ihre fünfköpfige Familie erhalten, sagt Taslima Khatun. Das war vor zwei Wochen. Durchfall und andere durch verschmutztes Trinkwasser verursachte Krankheiten seien weit verbreitet, sagt Dieter Schmidt von Humedica, eine deutsche Hilfsorganisation, die im Gebäude des lokalen Gemeindeamts medizinische Nothilfe leistet.

Schuldzuweisungen

Viele Menschen in Gabura machen das "Bangladesh Water Development Board" für ihre Misere verantwortlich. Die Behörde habe in den letzten Jahrzehnten lediglich ein Drittel des vorgesehenen Geldes für Flutschutzmaßnahmen zur Instandhaltung des Deiches verwandt, glaubt man hier. Der Rest sei im Dschungel der Korruption verschwunden. Zudem sei der Deich brüchig gewesen, weil Shrimpsfarmer Rohre durch den Deich gelegt hätten, um an das Salzwasser des Tideflusses zu gelangen, beklagt Abdul Bashar Sardar, der auf einer Shrimpfarm gearbeitet hat.

Monatelange Nothilfe

Dieter Schmidt Serious spread of diahorrea
Dieter Schmidt von der Organisation 'Humedica'Bild: DW

“Die humanitäre Katastrophe ist größer als zunächst angenommen. Wir rechnen mit einer monatelangen Phase unmittelbarer Nothilfe, bevor wir mit dem Wiederaufbau beginnen können”, sagt Heather Blackwell, die Leiterin von OXFAM in Bangladesch. Am Schlimmsten betroffen seien die Distrikte Satkhira und Khulna, nahe der Grenze mit dem indischen Bundesstaat West Bengalen, wo laut Angaben der britschen NGO das andauernde Hochwasser 150.000 Obdachlosen eine Rückkehr in ihre Dörfer unmöglich gemacht hat. Teile der betroffenen Gebiete könnten über Jahre unbewohnbar bleiben.

Begrenzte Ressourcen

Die Katastrophe im Südwesten des Landes ist längst von den Titelseiten der Zeitungen in Bangladesch verschwunden. Die alljährliche Flut, die regelmäßig bis zu zwei-Drittel des Landes unter Wasser setzt, steht noch bevor. Die Jahreszeit der Zyklone endet erst im Dezember. „Die internationalen Geberländer wissen dies“, sagt Kelland Stevenson, der Leiter von 'Save the Children' in Bangladesch. Vielen NGOs fehle so die finanziellen Mittel für eine angemessene „Aila“-Katastrophenhilfe. Solange die Regierung die Situation nicht zu einem „National Disaster“ erkläre, würden die normalen Mechanismen, einschließlich eines Spendenaufrufs der Vereinten Nationen, nicht greifen, sagt Stevenson.

Autor: Tom-Felix Jöhnk

Redaktion: Thomas Kohlmann