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Hausgemachte Krise

Marcus Bösch15. August 2003

Mit einem stark verkleinerten Ausstellerfeld muss in diesem Jahr die weltgrößte Musikmesse Popkomm in Köln auskommen. Seit sechs Jahren kriselt es in der Musikindustrie. Wer ist schuld? Und wie löst man das Problem?

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Bergab mit Retortenbands

Seit 1997 geht es kontinuierlich bergab. Der Umsatz der Musikbranche sinkt, mittlerweile in dreistelliger Millionenhöhe. Im ersten Quartal 2003 schrumpfte der Umsatz der deutschen Tonträgerindustrie um ein Viertel. Von den zehn bestverkauften Musikalben in den USA wurden im letzten Jahr nur noch halb soviel abgesetzt wie im Jahr 2000.

Und die Plattenmultis zittern weiter. BMG (Bertelsmann Music Group) und Warner haben seit 2001 mehr als 1000 Mitarbeiter vor die Tür gesetzt. Bei der EMI (Electric & Musical Industries Ltd.) haben im vergangenen Jahr 1800 Mitarbeiter ihren Hut nehmen müssen. Sony will zehn Prozent der Belegschaft feuern.

Eigenes Versäumen?

Erklärungen für die Krisenerscheinungen gibt es viele. Vom Vorwurf der Phantasielosigkeit einer ganzen Branche bis zur Verteufelung des Internets als kriminellen Hort der Raubkopierer reichen die Schwarzen-Peter-Karten. In der Tat scheinen sich die fünf Multis Universal, Warner, Sony, BMG und EMI, die zusammen 85 Prozent des Marktes beherrschen, zuwenig um neue Künstler gekümmert zu haben. Nach den goldenen Jahren der Umstellung von Schallplatte auf CD wurde ganz klar versäumt, langfristig tragfähige Trends zu suchen.

CDs
CDsBild: Bilderbox

Retortenbands versus Qualität

Die großen Firmenkonglomerate haben ihre Zukunft lange in teuren Marketingkampagnen für schnell zusammengecastete Retortengruppen gesucht. “Die Konzerne lieben diese Musik, weil die Künstler froh sind, dass sie überhaupt auftreten dürfen und ansonsten tun, was die Firmenchefs wollen”, erzählt Hartwig Masuch, Geschäftsführer der Bertelsmann Musik Verlage für Deutschland, dem Wirtschaftsmagazin “brand eins”. Eine Übersättigung der Hörer mit kurzlebiger Dauerberieselung erscheint so als zwingende Folge.

Inzwischen reift auch in so mancher Chefetage die Einsicht, dass die Krise mitunter selbstgemacht ist. Denn statt teure, schnell produzierte CDs mit eilig vorproduzierten Songs zu kaufen, greifen immer mehr Kunden zu qualitativ hochwertigeren Produkten. So verkaufte sich in den USA der Soundtrack zu dem Film “O Brother Where Art Thou” mit traditionellem Blues und Folk häufiger als die aktuellen Alben von Michael Jackson und Mariah Carey zusammen.

Frau im CD Laden
Jugendliche in einem Kaufhaus beim stöbern durch die CD-RegaleBild: Bilderbox

Quote – Nein Danke?

Im vielstimmigen Krisenchor übertönen jedoch vor allem die Rufe nach einer staatlichen Quote die Bittgesänge für mehr Qualität. Julian Nida-Rümelin, der frühere Kulturstaatsminister Deutschlands, beklagt Anfang August 2003 “einen dramatischen Verlust an musikalischer Artenvielfalt, der das Schrumpfen biologischer Art noch weit übertrifft”. Nida-Rümelin verweist auf die erfolgreiche staatliche Quote für heimische Titel im französischen Rundfunk. Und fordert die Einführung einer Quote für deutschsprachige Titel in deutschen Rundfunkanstalten.

Frankreich Flagge
Frankreich Flagge

In der Tat hat Frankreich sich, trotz teurer Tonträger, erfolgreich vom allgemeinen Trend des Umsatzrückganges abgekoppelt. Nur liegt das nicht allein an der staatlich sanktionierten 40-Prozent-Quote. Denn in Frankreich fördert der Staat die Musikkultur – etwa durch die Finanzierung des Konzertequipments der Kulturzentren. Diese substantielle Aufbauarbeit der französischen Kulturpolitik ist viel wichtiger als Abspielvorgaben oder Schnellschussproduktionen. Das sollten auch die Musikmanager wissen.