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Porträt

17. September 2009

Hamid Karsai steht vor einer möglichen zweiten Amtszeit als gewählter afghanischer Präsident. Die Wahl ist allerdings von massiven Betrugsvorwürfen überschattet. Ein Porträt des paschtunischen Politikers.

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Hamid Karsai (Foto: DPA)
Hamid KarsaiBild: Picture-alliance/dpa

Der 1957 in der südafghanische Stadt Kandahar geborene Hamid Karsai von der Volksgruppe der Paschtunen studierte Politik in Indien und schloss sich den afghanischen Widerstandskreisen im Exil an, die gegen das damalige sowjetisch unterstützte Regime in Kabul kämpften. Sein fließendes Englisch verhalf ihm, sich in diplomatischen Kreisen, vor allem bei der US-Vertretung in Pakistan, als ein engagierter Afghane zu profilieren.

In der Folge blieb Karsai eher am Rande des politischen Geschehens. Nach dem Sturz des einstmaligen sowjetischen Stellvertreter-Regimes von Nadschibullah 1992 fungierte Karsai als Vize-Außenminister im neuen "Islamischen Staat Afghanistan", der sich in der Folge im Bürgerkrieg aufrieb.

Erst pro, dann contra Taliban

Bald wechselte er die politische Seite und unterstützte die von Islamabad als Ordnungsmacht konzipierten Taliban-Milizen. Nach deren Errichtung einer klerikalen Despotie in Afghanistan 1996 distanzierte sich der Clan Karsais von den militanten Religionsschülern. Die Ermordung seines Vaters durch die Taliban-Milizen im pakistanischen Exil machte Karsai umso entschlossener im Kampf gegen die obskuren Milizen.

Karsai gehörte zu keiner der afghanischen Machtgruppen aus der Bürgerkriegszeit und er verfügte auch nicht über eine eigene militärische Hausmacht. Als ein Politiker aus der zweiten Reihe machten ihn diese Eigenschaften insgesamt zum idealen Kompromiss-Kandidaten auf der Bonner Afghanistan-Konferenz im November 2001. Dort am Rhein wurde Karsai zum Chef der Interimsregierung ernannt, 6000 Kilometer entfernt vom Hindukusch.

Erfolgreiche Wahl-Karriere

Karsai mit dem ehemaligen deutschen Außenminister Joschka Fischer (Foto: AP)
Karsai mit dem ehemaligen deutschen Außenminister Joschka FischerBild: AP

Karsai benötigte noch eine Legitimation nach der afghanischen Tradition. Dafür bot sich eine Loja Dschirga an, die traditionelle afghanische "große Versammlung". 2002 behauptet sich der Aristokrat Karsai in einer solchen Versammlung gegen zwei weitere Kandidaten.

Dann im Jahr 2004 ging der geschickte Taktiker Karsai gemäß der neuen Verfassung des Landes gegen 17 andere Kandidaten aus demokratischen Wahlen als Sieger und erster demokratisch gewählter Präsident Afghanistans hervor.

Karsai agierte zunächst sehr vorsichtig. An seinem Kabinettstisch saßen Vertreter aller politischen Gruppierungen. Als Paschtune achtete er streng darauf, dass auch der ethnische Proporz bei der Besetzung der wichtigen politischen Ämter gewahrt blieb.

Ausbleibende Erfolge beim Aufbau

Mit der internationalen Rückendeckung hatte Karsai sehr günstige Voraussetzungen für die Befriedung des Landes. Ihm und seinem politischen Beraterteam fehlte jedoch ein Konzept zum Aufbau der zerstörten Wirtschaft und zerrütteten Gesellschaft des Landes.

Karsai entwickelte ein starkes politisches Machtbewusstsein. Er machte faule Kompromisse mit fundamentalistischen Kreisen. Damit enttäuschte er zunehmend die demokratisch gesinnten Kreise, die auf Förderung demokratischer Parteien und der Zivilgesellschaft gehofft hatten.

Karsai ist jedenfalls nicht amtsmüde: Kritik der EU-Wahlbeobachter am Zustandekommen seines vorläufigen Wahlsieges bei der zweiten Präsidentschaftswahl bezeichnet er als "einseitig, unverantwortlich und im Widerspruch zur afghanischen Verfassung" stehend.

Autor: Said Samimy
Redaktion: Kay-Alexander Scholz