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Schwierige Jobsuche...

1. September 2010

Wer in Serbien einen Job sucht, sollte besser nicht Roma, schwanger oder über 40 Jahre alt sein. Denn obwohl ein Gesetz die Diskriminierung bei der Einstellung oder Entlassung untersagt, haben einige Gruppen es schwer.

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Symbolbild Rechtssprechung RechtBild: BilderBox

Auf den ersten Blick sieht es gut aus: Serbien hat Anti-Diskriminierungsgesetze und einen Anti-Diskriminierungs-Beauftragten. Doch die Gleichstellung existiert bislang nur auf dem Papier. Viele Serben beklagen, dass sie bei der Arbeitssuche diskriminiert würden: Weil sie einer ethnischen Minderheit angehören oder nicht Mitglied der "richtigen" Partei seien.

Roma im Abseits

Eine Roma-Frau, neben der ein Kind steht, putzt die Frontscheibe eines stehenden Autos (Foto: AP)
Keine Diskriminierung bei HilfsjobsBild: AP

Wer beispielsweise Roma ist, habe es in Serbien bei der Suche nach Arbeit nicht leicht, so der Roma-Aktivist Osman Balic. Nur wenige Roma seien im öffentlichen Dienst beschäftigt. Der Grund dafür ist ihm klar: Wenn die Diskriminierung der Roma auf staatlicher Ebene als Normalzustand betrachtet werde, könne man der Privatwirtschaft kaum Vorwürfe machen.

Anders sei es bei schwerer körperlicher Arbeit für un- oder angelernte Arbeitskräfte, sagt Balic weiter. "Dort sind die Roma als billige Arbeitskraft willkommen." Als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft, beispielsweise als Erntehelfer bei über 40 Grad Hitze, würden viele Betriebe Roma einstellen. "Diskriminierung gibt es - um es scherzhaft auszudrücken - bei Arbeiten im Schatten. Und schattig geht es in der staatlichen und kommunalen Verwaltung zu", meint Balic. Denn dort werde im Verhältnis zur freien Wirtschaft wenig gearbeitet und trotzdem relativ gut verdient.

Schwangere unerwünscht

Schwangere Frau (Foto: BilderBox)
Job und Baby unvereinbar?Bild: BilderBox

Auch Frauen haben es im Arbeitsleben nicht einfach in Serbien. Probleme treten vor allem beim Recht der Frauen auf Mutterschaft auf: Häufig werden Frauen entlassen, weil sie schwanger sind. In einigen Fällen mussten Frauen sich schriftlich verpflichten, in einem bestimmten Zeitraum keine Kinder zu bekommen. Eigentlich untersagt ein Gesetz zwar die Entlassung von schwangeren Mitarbeiterinnen.

Doch Olga Kicanovic, Beraterin bei der staatlichen Agentur für die Schlichtung von Arbeitsrechtsfällen, kennt Gegenbeispiele. In der staatlichen Agentur für Privatisierung beispielsweise seien Schwangere zum "Stellenüberhang" erklärt worden. "Die Agentur hat im Februar dieses Jahres elf von insgesamt 85 Mitarbeitern als Überbesetzung bezeichnet - alles Frauen, die schwanger oder im Mutterschutz waren. Es ist ein komischer Zufall, dass gerade diese Frauen entlassen wurden", sagt Olga Kicanovic.

Rechtslage auslegbar

Schon bei der Arbeitssuche seien Frauen im Nachteil: Die Arbeitgeber befürchten, dass ihre Mitarbeiterinnen bald wegen Schwangerschaft und Mutterschaftsurlaub ausfallen und begegnen weiblichen Bewerbern deshalb mit Skepsis. Darüber hinaus würden Frauen selten nach Hilfe suchen, weil sie glaubten, sie würden keine bekommen, sagt Vesna Stanojevic vom Beratungszentrum bei häuslicher Gewalt.

Paragrafen auf weißem Grund (Foto: BilderBox)
Gesetze werden nicht umgesetztBild: BilderBox

Denn auch wenn entlassene Frauen einen Gerichtsprozess gewinnen würden, scheitere es häufig an der Umsetzung des Urteils, sagt Stanojevic. "Eine junge Frau, die in einer Stadtverwaltung beschäftigt war, setzte ihre Rechte per Gericht durch. Dann schickte sie ihr Arbeitgeber an einen 200 Kilometer entfernten Arbeitsplatz, obwohl sie vier Kinder hat." Der Arbeitgeber könne enormen Druck auf den Einzelnen ausüben. "Und diese Methoden werden überwiegend bei Frauen angewendet", so Stanojevic.

Rache nicht ausgeschlossen

Eine dritte Gruppe, die bei der Arbeitssuche diskriminiert wird, sind die älteren Menschen: Arbeitgeber beschäftigen ungern Arbeitnehmer über 40 Jahre. Um das zu ändern, subventioniert der Staat Unternehmen, die über 45-Jährige einstellen. Auch die Beschäftigung von Behinderten fördert der Staat.

In der serbischen Wirtschaft gebe es jedoch zu wenig freie Arbeitsstellen, deshalb sei es schwierig, die Wirkung solcher Maßnahmen zu überprüfen, so Kritiker. Menschenrechtsaktivistin Katarina Jozic sind zudem regelrechte Rachefeldzüge von erbosten ehemaligen Arbeitgebern zugetragen worden. Betroffen seien Mitarbeiter, die Amtsmissbrauch oder Unterschlagungen ihrer Chefs aufgedeckt und deswegen entlassen worden seien. Danach hätten sie sich mit der Tatsache abfinden müssen, dass sie auch bei keinem anderen Arbeitgeber eine neue Anstellung bekämen, so Jozic.

Zwar können Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber anzeigen, wenn sie diskriminiert werden. Was dann folgt sind öffentliche Verwarnungen oder eine Verhandlung vor Gericht. Doch die serbischen Gerichtsmühlen mahlen sehr langsam und manchmal verjähren Fälle sogar. Da auch der Nachweis der Diskriminierung schwierig ist, sind die Arbeitnehmer bislang relativ machtlos.

Autoren: Ivica Petrovic / Mirjana Dikic

Redaktion: Julia Kuckelkorn