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Ex-Fußballcoach gesteht hundertfachen sexuellen Missbrauch

16. Januar 2024

Ein früherer Trainer eines Provinzvereins nahe München hat über Jahre junge Fußballer sexuell missbraucht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Gerichtsprozess gegen ihn.

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Optuženi trener sa svojim odvjetnikom u sudnici
Optuženi trener sa svojim odvjetnikom u sudniciBild: Lennart Preiss/dpa/picture alliance

Was ist geschehen?

In München steht ein früherer Fußballtrainer eines Sportvereins aus dem Umland der bayerischen Landeshauptstadt vor Gericht. Der heute 47 Jahre alte ehemalige Cheftrainer und sportliche Leiter des Vereins soll seit 2016 über Jahre insgesamt rund 30 Jungen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren sexuell missbraucht haben.

In zahlreichen Fällen soll es zu Vergewaltigungen gekommen sein. Er ging dabei immer nach demselben Muster vor: Der Mann sagte den Jugendlichen, er habe eine Ausbildung als Physiotherapeut und werde sie behandeln, um die Durchblutung der Muskulatur zu fördern. Dann verging er sich an ihnen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann mehr als 800 Fälle sexuellen Missbrauchs vor. In mehr als 200 Fällen ist er der Vergewaltigung angeklagt. Der Fall war Anfang 2022 ins Rollen gekommen, nachdem eines der Opfer sich seinen Eltern anvertraut hatte. Im Oktober 2022 war der Mann festgenommen worden, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

Welche Strafe erwartet den Angeklagten?

Der frühere Trainer hat die Taten gestanden. Der Richter hatte zuvor erklärt, ein Geständnis könne zu einer milderen Strafe führen. Der Grund: Die jungen Opfer müssten dann nicht mehr in dem Prozess aussagen.

Für den Fall, dass der Angeklagte gestehe, stellte der Richter eine Haftstrafe zwischen sieben und acht Jahren in Aussicht. Er machte jedoch klar, dass dies nicht unbedingt bedeute, dass der Täter nach der Haft auf freien Fuß komme. Eine anschließende sogenannte "Sicherungsverwahrung" in einer Justizvollzugsanstalt oder eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik sei auch bei einem Geständnis nicht ausgeschlossen.

Gab es im deutschen Sport schon vergleichbare Fälle?

Sexualisierte Gewalt ist auch im deutschen Sport ein Problem, wie eine 2022 veröffentlichten Studie ergab. Mehr als 70 Opfer hatten darin ihre traumatischen Erfahrungen geschildert.

Für großes Aufsehen sorgte im selben Jahr auch die Aussage des früheren Europameisters im Wasserspringen, Jan Hempel. Er beschuldigte seinen früheren Trainer, ihn über einen Zeitraum von 14 Jahren immer wieder sexuell missbraucht zu haben. Der Trainer war 2001 gestorben.

Wasserspringer Jan Hempel mit nassem Gesicht bei den Weltmeisterschaften 1994 in Rom
Jan Hempel machte 2022 öffentlich, dass er jahrelang von seinem früheren Trainer sexuell missbraucht wurdeBild: Laci Perenyi/IMAGO

Prozesse gegen frühere Sporttrainer wegen sexuellen Missbrauchs ihrer Schützlinge hat es in Deutschland schon einige gegeben. So wurde 2022 ein ehemaliger Turntrainer im Bundesland Thüringen in 20 Fällen schuldig gesprochen und zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt.

Bei dem aktuellen Prozess in München wird über eine deutlich höhere Zahl von Missbrauchsfällen verhandelt. Das Ausmaß erinnert an internationale Fälle wie den des früheren Teamarztes der US-Turnerinnen, Larry Nassar, des einstigen Jugendtrainers Barry Bennell beim englischen Fußball-Traditionsklub Manchester City oder die Missbrauchs-Vorwürfe gegen den früheren Präsidenten des haitianischen Fußballverbands, Yves Jean-Bart.

Wie geht der Sport gegen sexualisierte Gewalt vor?

Der Verein aus dem Münchener Umland, um den es in dem aktuellen Prozess geht, verlangte schon seit mehr als einem Jahrzehnt von seinen Trainern ein erweitertes Führungszeugnis. 2021, also bevor der Fall publik wurde, trat zudem ein "Schutz- und Notfallkonzept" in Kraft, in dem der Verein festschrieb, wie man in Verdachtsfällen vorgehen wollte.

Man könne jedoch "nie alles zu 100 Prozent sicher machen", räumte die Geschäftsführerin des Vereins nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Ex-Trainer ein.

Seit Mitte 2023 gibt es in Deutschland eine unabhängige Anlaufstelle "Safe Sport". An diese können sich alle Sportlerinnen und Sportler wenden, die Opfer sexualisierter, psychischer oder physischer Gewalt werden und Hilfe suchen.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter