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EU verspricht 100 Milliarden gegen die Krise

20. März 2009

Der mit Misstönen begonnene Gipfel endet im Kompromiss: Die EU will den Internationalen Währungsfonds mit mehr Geld ausstatten - und einen gemeinsamen Hilfsfonds für mittel- und osteuropäische Mitglieder verdoppeln.

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Ein Sicherheitsbeamter steht am Eingang des Tagungsgebäudes in Brüssel; in der Bildmitte ein farbenfroher Schriftzug 'EU 2009.CZ' (Foto: AP)
Farbenfroh der Eingang des Tagungsgebäudes, facettenreich das Gipfel-ErgebnisBild: AP

Die EU-Staats- und Regierungschefs stellten den Kompromiss am Freitag (20.03.2009) zum Abschluss ihres Wirtschaftsgipfels in Brüssel vor. Derzeit verfügt der Internationale Währungsfonds (IWF) über Einlagen von 250 Milliarden Dollar. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs fordern, diese Summe solle zur Abwehr der Wirtschaftskrise auf 500 Milliarden Dollar verdoppelt werden. Die europäischen Staaten wollen davon bis zu 100 Milliarden schultern. Die Hauptlast aller Einlagen tragen mit 17 Prozent die USA. Japan hat sich bereit erklärt, den Währungsfonds mit 100 Milliarden Dollar zu stützen. Der IWF in Washington hat die Aufgabe, in Zahlungsschwierigkeiten geratene Regierungen mit Krediten auszustatten. Der IWF hatte mehr Kapital angemahnt, weil er sonst die Kreditwünsche der 185 IWF-Mitglieder nicht mehr bedienen kann.

IWF-Direktor Strauss-Kahn (vorne im Bild) besucht einen Markt in Tansania (Foto: dpa)
Der IWF, hier dessen Direktor Strauss-Kahn bei einem Besuch in Tansania, soll mehr Geld aus Europa erhaltenBild: picture-alliance/ dpa

Unterstützung für Nicht-Euro-Staaten

Einen internen Hilfsfonds für EU-Staaten, die nicht den Euro als Gemeinschaftswährung haben, will die Europäische Union von 25 auf 50 Milliarden Euro verdoppeln. Das sei ein starkes Signal der Solidarität, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Kritische Stimmen gab es allerdings aus der deutschen und französischen EU-Delegation.

Der Sinn der Aufstockung war im Vorfeld angezweifelt worden, da die im Dezember zugesagten 25 Milliarden Euro noch nicht aufgebraucht seien. Bislang hatte das schwer angeschlagene Ungarn einen Kredit von 6,5 Milliarden Euro in Anspruch genommen. Lettland erhielt 3,1 Milliarden Euro. Rumänien hat einen kurzfristigen Kreditbedarf von insgesamt 19 Milliarden Euro angemeldet, um einen Staatsbankrott abzuwenden.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mahnte, solche Hilfsfonds diskreter zu behandeln. Die öffentliche Nennung von Summen und Kreditnehmern gefährde die Kreditwürdigkeit der betroffenen EU-Staaten weiter.

Kein Notfallfonds für Euro-Staaten

Supermarkt in Riga/Lettland: Frauen warten an einer Wurst-Theke (Archivfoto: dpa)
Ein Bild aus besseren Tagen: Auch Lettland muss auf EU-Mittel zurückgreifenBild: picture-alliance/ ZB

Die Europäische Zentralbank wies Behauptungen zurück, sie habe einen Notfallfonds für Staaten innerhalb der Eurozone gebildet. Griechenland und Irland sollen am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehen, weil sie angeblich in nicht allzu ferner Zukunft die Zinszahlungen für ihre Staatsanleihen nicht mehr bedienen können. Die Pleite eines Staates mit der Gemeinschaftswährung Euro sei nur eine theoretische Frage, sagte der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker: "Das wird nicht passieren." Juncker ist auch Vorsitzender der Eurogruppe, in der die Finanzminister der 16 Euro-Länder zusammenarbeiten.

Weitere Konjunkturprogramme wollen die EU-Staaten zunächst nicht auflegen. "Die EU ist sehr gut aufgestellt. Wir haben den Willen, diese Krise gemeinsam zu meistern", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Man will nun erst einmal die rund 200 Milliarden Euro wirken lassen, die die Staatengemeinschaft in ihre Volkswirtschaft pumpt.

Keine EU-Länder auf schwarzer Liste

Beim bevorstehenden Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in London will die EU auf eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte und eine straffere Aufsicht drängen. Aus den USA sind jedoch andere Töne zu hören. Amerikanische Ökonomen verlangen von den Europäern kurzfristig größere Konjunkturprogramme. Die Regulierung der Finanzmärkte helfe in der akuten Rezession nicht weiter. EU-Kommissionspräsident Barroso ist dagegen der Ansicht, die Europäer müssten beides tun: "Wir müssen Geld in die Wirtschaft pumpen, aber wir dürfen die Regulierung der Finanzmärkte, die eigentliche Ursache der Krise, nicht vernachlässigen."

Kanzlerin Merkel mit einem Lächeln im Gesicht, durchs Fenster in ihrem Wagen fotografiert (Foto: AP)
Die deutsche Bundeskanzlerin kann zufrieden heimkehrenBild: AP

Eine schwarze Liste mit Steueroasen, die auf dem G20-Gipfel erörtert werden soll, wird keine Länder aus der Europäischen Union beinhalten. Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker hatte nach internem Streit in der EU durchgesetzt, dass Luxemburg, Belgien und Österreich nicht auf der Liste erscheinen. Die drei Staaten hatten zuvor angekündigt, ihr Bankgeheimnis etwas lüften zu wollen.

Das mit fünf Milliarden Euro geradezu bescheiden anmutende Konjunkturprogramm der EU-Kommission in Brüssel war bereits am Donnerstag nach monatelangem Tauziehen verabschiedet worden. Es soll Energienetze und Breitbandkommunikation fördern. Der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger bezeichnete die Hilfen, die aus dem EU-Haushalt finanziert werden, im Mitteldeutschen Rundfunk als "peanuts". Europa befinde sich in einem sehr schweren Abschwung. Nötig seien 50 bis 75 Milliarden Euro, so Bofinger.

Autor: Bernd Riegert

Redaktion: Beatrice Warken