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Schwelen im Untergrund

29. Oktober 2009

Der Terror ist nach Griechenland zurückgekehrt. Spätestens seit dem Anschlag auf eine Polizeiwache Anfang der Woche ist das Land in Alarmbereitschaft. Doch Polizei und Politik scheinen machtlos.

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Polizisten auf der Straße nach Anschlag (Foto: AP)
Die griechische Polizei ist in AlarmbereitschaftBild: AP

Sieben Jahre ist es her, dass die berüchtigte Undergrundorganisation "17. November" zerschlagen werden konnte. Doch die Hoffnung, dass der Terrorismus in Griechenland besiegt sei, hat sich noch nicht erfüllt. Autonome und linksgerichtete Gruppen greifen immer wieder Banken, staatliche Einrichtungen und Polizeibeamten an. Brandanschläge auf Autos gehören fast schon zum Alltag in Athen und Thessaloniki. Und spätestens nach dem jüngsten massiven Angriff auf eine Polizeiwache im Norden Athens wird deutlich, dass der Terror eine neue Dimension erreicht hat.

Offensichtlich konnten mehrere Terrorgruppen in den letzten Jahren neue Mitglieder rekrutieren, meint der griechische Journalist Tassos Kokkinidis, ehemaliger Mitarbeiter des "British American Security Information Council". "Wir sehen eine neue Generation von Terroristen. Vermutlich stehen sie in Verbindung zu früheren Terrorgruppen, doch die griechische Polizei hat es noch nicht geschafft, ihre Kontakte und Netzwerke aufzuspüren", erklärt er. "Aber es gibt wohl einen wichtigen Unterschied zu den früheren Militanten: Die jungen Terroristen sind skrupellos wie nie zuvor. Und sie sind sogar in der Lage, massiv gegen die Polizei vorzugehen."

Parteibuch vor Begabung

Polizisten untersuchen Auto (Foto: AP)
Spurensuche nach dem neuesten AnschlagBild: AP

In den letzten Monaten haben die Untergrundorganisationen "Revolutionärer Kampf" und "Revolutionäre Sekte" eine Stadt-Guerilla angekündigt. Zwar verspricht die neue sozialistische Regierung, entschlossen gegen den Terror vorzugehen. Doch das ist einfacher gesagt als getan – allein schon deswegen, weil die einflussreichen Positionen in Staat und Verwaltung in der Regel nicht nach Begabung, sondern nach Parteibuch vergeben werden.

"In Griechenland gibt es leider es keine Kontinuität des Staates", erklärt Tassos Kokkinidis. "Das haben wir in den letzten Jahren ganz deutlich gesehen: Als die konservative Regierung vor fünfeinhalb Jahren an die Macht kam, wurden alle wichtigen Entscheidungsträger in der Anti-Terror-Einheit der griechischen Polizei einfach ausgewechselt." Nun trete eine neue Regierung an und wieder einmal würden die Verantwortlichen ausgetauscht. "Ich denke, unter diesen Umständen ist eine effektive Anti-Terror-Politik überhaupt nicht möglich."

Trauriger Jahrestag

George Papandreou (Foto: AP)
George Papandreou muss Antworten findenBild: AP

Ende September konnte die griechische Polizei doch noch einen Erfolg vorweisen: Die Beamten entdeckten einen Unterschlupf vermutlicher Terroristen im betuchten Athener Vorort Halandri, in dem viele Politiker, Journalisten und Diplomaten wohnen. Nun setzen die Fahnder eine Belohnung von 600.000 Euro für sachdienliche Hinweise aus, die zur Festnahme verdächtiger Personen führen. Die Polizei bemüht sich also nach Kräften, die Terroristen ausfindig zu machen, aber hier und da wirkt sie etwas überfordert oder sie steht sich sogar selbst im Wege.

"Manchmal habe ich fast das Gefühl, dass die Polizei den Terroristen in die Hände spielt", glaubt Kokkinidis und gibt ein Beispiel: "Im vergangenen Dezember starb Alexis Grigoropoulos, ein fünfzehnjähriger Junge, durch eine Polizeikugel in Athen. Daraufhin kam es zu wochenlangen Protesten und schweren Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und Polizeibeamten. Und ich vermute, während dieser Zeit konnten die Militanten auch genug Nachwuchs für ihre Terrororganisationen anwerben."

Am 6. Dezember jährt sich der Tod des jungen Alexis zum ersten Mal. Die Regierung Papandreou macht sich gefasst auf eine neue Protestwelle von Studenten und Anarchisten und die Polizei zeigt bereits heute mehr Präsenz im Zentrum von Athen. Tausende Polizisten in kugelsicheren Westen sind rund um die Uhr im Einsatz, vor allem im Stadtteil Exarcheia, einer Hochburg der Linksautonomen und Anarchisten.

Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Andreas Ziemons