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Einwanderer der ersten Stunde

Monika Hoegen19. Dezember 2005

Eine Zuwanderungsdebatte gab es noch nicht, die "Gastarbeiter" wurden nach dem Zweiten Weltkrieg dringend benötigt. Viele Einwanderer der ersten Stunde wurden zu Dauergästen und fanden eine neue Heimat.

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Der einmillionste Gastarbeiter in der Bundesrepublik: Armado Sá RodriguesBild: picture-alliance/ dpa

Das Foto ging damals durch die Presse. Am 10. September 1964 wurde Amando Sá Rodrigues feierlich am Kölner Bahnhof empfangen. Sogar ein Moped und einen Blumenstrauß bekam der Mann aus Portugal geschenkt. Er war der einmillionste Gastarbeiter; schon am 20. Dezember 1955 hatte Deutschland mit Italien ein so genanntes "Anwerbeabkommen" für Arbeitskräfte geschlossen. Heutzutage kaum vorstellbar, aber wahr: Ihre ersten ausländischen Arbeiter empfing die junge Bundesrepublik einst mit offenen Armen.

Willkommene Gäste

Daran kann sich auch Konstantin Kalandranis noch erinnern. Der heute 54-Jährige kam 1962 mit elf Jahren aus Athen nach Deutschland. Sein Vater war als einer der ersten Arbeiter aus Griechenland angeworben worden. "Damals, als wir gekommen sind, da waren wir sehr willkommen", erinnert er sich. Dennoch war das Einleben in der Fremde für Kalandris zunächst nicht leicht. Wie alle Einwanderer der ersten Stunde hatten er und seine Familie zunächst mit gravierenden Sprachproblemen zu kämpfen.

Trotz dieser Probleme: Immer mehr Familien aus Italien, Spanien, Portugal, Jugoslawien, Griechenland und später auch der Türkei zog es in den wirtschaftlich verheißungsvolleren Norden. Von 1960 bis 1972 stieg der Ausländeranteil unter den Arbeitnehmern in Deutschland von 1,5 auf 10,8 Prozent. Die absoluten Zahlen verdeutlichen diese Entwicklung noch besser: 1960 lebten in Deutschland 330.000 ausländische Arbeitnehmer, 1969 waren es 1,5 Millionen und 1973 sogar 2,6 Millionen. Doch mit der Öl- und beginnenden Wirtschaftskrise erfolgte ein Anwerbestopp.

Kaum Fremdenfeindlichkeit

Die Gastarbeiter der ersten Stunde, die eigentlich nur vorübergehend bleiben und beim Wiederaufbau mithelfen sollten, sie blieben - zur Überraschung der Deutschen, die darauf nicht vorbereitet waren. Auch Konstantin Kalandranis blieb. Er lernte viel, meisterte die Sprachhürde und machte schließlich eine Ausbildung zum Elektromaschinenbauer. Seit 1972 arbeitet er beim Automobilkonzern Ford in Köln. Kalandris ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder, die selbst schon in Deutschland beruflich erfolgreich sind. Fremdenfeindlichkeit, so sagt der Mann aus Athen, habe er in den vergangenen 43 Jahren kaum erlebt. Einen deutschen Pass besitzt Kalandris nicht. Dennoch ist die Fremde von einst heute seine Heimat: "Ich finde, hier in Deutschland sind die Menschen sehr tolerant."

Rocco Bronte, 44 Jahre, kommt aus Sizilien und lebt seit 1977 in Deutschland. Auch er hatte als 16-Jähriger zunächst erhebliche Schwierigkeiten, sich einzugewöhnen. Rocco biss sich durch - ohne fremde Hilfe, wie er sagt. Er lernte Automechaniker, arbeitete als Elektroinstallateur und Fliesenleger. Heute arbeitet er in einer Autowerkstatt als Reifenmonteur. Wie er die Deutschen sieht? Im Großen und Ganzen kann man mit ihnen leben, meint der Italiener - nur eine gewisse Arroganz mancher Deutschen gefällt ihm nicht. Dennoch: Zurück nach Sizilien zu gehen, das kommt für Rocco derzeit nicht in Frage. Er ist verheiratet mit einer Deutschen, seine zwei Kinder sind in der Bundesrepublik geboren. Und der Mann aus Italien hat viele deutsche Freunde.

Sich nicht abzukapseln, sondern sich in die deutsche Gemeinschaft zu integrieren, genau das rät auch der Grieche Kalandranis Ausländern, die hierzulande Fuß fassen wollen. Ihm hilft es sehr, mehr Kontakt zu Deutschen zu haben. "Wenn ich zuhause sitze, das bringt nix."