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Ein moralisches Ausrufezeichen

7. Juli 2009

Der Vatikan hat am Dienstag die Sozialenzyklika "Caritas in veritate" veröffentlicht. Darin geht Papst Benedikt XVI. besonders auf die Wirtschafts- und Finanzkrise ein und spricht Themen wie Ethik und Gerechtigkeit an.

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Papst Benedikt XVI. unterzeichnet die neue Enzyklika (Foto: EPA / L'Osservatore Romano)
"Caritas in Veritate": Papst Benedikt XVI. unterzeichnet die neue SozialenzyklikaBild: picture alliance/dpa

Als ein moralisches Ausrufezeichen für Kirche, Politik und Gesellschaft hat der Münchner Erzbischof Reinhard Marx die Sozialenzyklika Benedikts XVI., "Caritas in Veritate", bezeichnet. Der Vorsitzende der Kommission für soziale Fragen in der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sprach in München von einem wichtigen Impuls zum Nachdenken und zum Handeln. Ganz in der Tradition bisheriger Sozialenzykliken werde den Menschen ein großes Zutrauen entgegengebracht. "Ihr könnt was tun, die Globalisierung ist kein Verhängnis, ihr könnt sie gestalten, in Freiheit und Verantwortung", fasste Marx den Appell des Lehrschreibens zusammen.

Blickwinkel Liebe

Der Papst habe dabei den Begriff der Entwicklung unter dem Blickwinkel der Liebe neu definiert. Ganz im Sinne Papst Pauls VI., der schon 1967 in seiner Sozialenzyklika "Populorum progressio" ("Fortschritt der Völker") eine globale Verantwortung beschworen hatte. Nur wer den Nächsten berücksichtige, könne verantwortungsvoll handeln, so das päpstliche Credo. Das gelte aber für alle Menschen, vom Investmentbanker bis zum Konsumenten, so Marx. Mit Wirtschaftsfeindlichkeit oder einer Ablehnung der Globalisierung habe das nichts zu tun. Erst kürzlich hatte Papst Benedikt betont, wie wichtig Globalisierung sei und welche Chance sich damit verbinden. Allerdings müssten jetzt wirtschaftliche Regeln aber auch Institutionen wie beispielsweise die Welthandelsorganisation (WTO) oder die Vereinten Nationen neu überdacht werden.

Transparenz und Verständlichkeit

Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx (Foto: dpa)
Reinhard MarxBild: picture alliance/dpa

Marx räumte ein, dass kirchliche Lehrschreiben immer ein Übersetzungsproblem hätten. Dabei spielte der Münchner Erzbischof nicht auf die Übertragungsprobleme ins Lateinische an. Schließlich hatten fehlende lateinische Begriffe für "Börsenwert" oder "Steuerparadies" mit zu zeitlichen Verzögerungen geführt. Marx sprach vielmehr von der Aufgabe kirchlicher Einrichtungen, das päpstliche Schreiben in den konkreten Alltag zu übertragen.

Wissenschaftler sehen thematische Lücken

Systematische und methodische Mängel macht dagegen Professor Johannes Wallacher aus. Dem Gesellschaftsethiker an der Münchner Hochschule für Philosophie fehlen in dem päpstlichen Lehrschreiben zentrale Themen wie beispielsweise der Klimawandel. Die Klimapolitik werde die politische Diskussion der kommenden Jahre wesentlich bestimmen. In "Caritas in Veritate" werde das Thema aber nur in einem Nebensatz erwähnt, so Wallacher. Daneben fehlt dem Gesellschaftsethiker auch ein Wort zur Geschlechtergerechtigkeit. Schließlich seien Frauen die primären Träger von Entwicklungen, weil vor allem sie für die Erziehung, für die Ausbildung und für die Grundversorgung der Kinder in Entwicklungsländern zuständig seien. Schließlich mahnt Wallacher auch an, dass in dem Lehrschreiben von Papst Benedikt XVI. nichts über die Rolle und Verantwortung der Kirche selbst gesagt wird. In der Anrede würden zwar alle Menschen guten Willens und alle Christen vom Bischof bis zum Laien angesprochen. Dennoch hätte man sich auch vorstellen können, wie es in anderen kirchlichen Dokumenten üblich sei, explizit die Frage zu thematisieren, wie Kirche in ihrem eigenen Bereich diese Maßstäbe umsetzen kann.


Autor: Clemens Finzer
Redaktion: Klaus Krämer