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Dschingis Khans Erbe

Michael Köhler16. Juni 2005

Dschingis Khan zog nicht nur mordend und brandschatzend mit Reiterhorden durch die Steppe: Kluge Verwaltung, ein modernes Pass- und Kurierwesen, Handel und religöse Toleranz waren das Fundament der "Pax Mongolica".

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Mongolische Reiter in KriegsmonturBild: Universität Graz


Angst vor den Mongolen muss heute niemand mehr haben - im Mittelalter war das anders. Da galten die Völker aus der zentralasiatischen Steppe als grausame Krieger. Ihr Weltreich erstreckte sich in seiner Blütezeit im 13. und 14. Jahrhundert vom Pazifik bis nach Europa, vom Ural bis nach Ungarn. Nur das britische Empire des 19. Jahrhunderts hatte noch größere Ausmaße.

Bundeskunsthalle Ausstellung Dschingis Khan und seine Erben
Portraits zweier Gemahlinnen von Kaiser Yingzong aus dem 14. JahrhundertBild: AP

Vorurteile bekämpfen

Festliche Reiter in der Mongolei beim Naadam-Fest
Mongolische Reiter in Kriegsuniform und mit Fahnen aus der Zeit des Dschingis Khan beim jährlichen Naadam-FestBild: dpa

Das Kulturvolk der Mongolen war nicht nur ein räuberisches Reitervolk. Sie haben schon 400 v.Chr. erste Staaten gegründet und enge Kontakte zu Chinesen, Tibetern, Türken und Persern gepflegt. "Was Dschingis Khan gelungen ist, zu Beginn des 13. Jahrhunderts, war die erstmalige Einigung dieser Völkerschaften. Er hat erst mit diesem geballten Zusammenschluss der Steppenvölker es geschafft, in einem großen Maße politische Ansprüche geltend zu machen", sagt Henriette Pleiger. Sie ist die Projektleiterin der Bonner Ausstellung "Dschingis Khan und seine Erben".

Bundeskunsthalle Ausstellung Dschingis Khan und seine Erben
Das älteste bekannte Portrait des Kaisers Taizu (Dschingis Khan) aus dem 14. JahrhundertBild: AP

In Bonn will man mit dem Vorurteil der kleinwüchsigen, grausamen kriegerischen, machtbesessenen Nomaden auf ihren kleinen Pferden aufräumen. Deshalb zeigt die Ausstellung auch keine völkerkundliche Ansammlung von Kochtöpfen und Kinderschaukeln, Jurten und Waffen. Um die Jurten zu sehen, muss man übrigens auf das Dach der Bundeskunsthalle steigen. In der Ausstellungshalle sind buddhistisches Kultgerät, Dokumente auf Birkenrinde und Porträts auf Seidenpapier zu sehen. Darunter das berühmte Porträt von Dschingis Khan aus dem nationalen Museum in Taipeh: Er, der Gefürchtete, sieht darauf fast versöhnlich aus. Wie ein Mönch.

Religiöse Toleranz

Mongolei
Lama-Mönche bei der Maidar-Zeremonie zur Anrufung Gottes im Gandan Tegchenlen Kloster von Ulan BatorBild: AP

Der mongolische Herrschaftsanspruch war ein seltsam ideologiefreier, man wollte die Völker unterwerfen nicht nur mit einem kriegerischen Anspruch, sondern durchaus auch mit dem Willen zum Frieden. Das klingt zwar paradox, aber die Mongolen waren nachweislich ein aus heutiger Sicht sehr tolerantes Herrschaftsvolk: Sie haben die Religionen ihrer eroberten Gebiete angenommen und ihre eigenen schamanistischen Traditionen zurückgestellt. Die dominierende Religion war der Buddhismus, aber in den weiter entfernten Teilen des Reichs hat man auch den Islam übernommen. Und die Mongolen förderten die fremden Kulturen ihrer eroberten Gebiete. Viel ist davon jedoch nicht geblieben.

Hochkultur in der Steppe

Chinesische Bauern nahe der afghanischen Grenze
Karakorum-HöhenwegBild: AP

Durch chinesische und persische Geschichtsschreiber lassen sich Kultur und Taten der Mongolen rekonstruieren. Erstmalig sind in Bonn seltene Exponate zu sehen, aus Taipeh und von den Ausgrabungsstätten in Karakorum, der geheimnisumwitterten Hauptstadt des Mongolenreiches. Mit Hilfe Bonner Wissenschaftler wird dort seit 1998 geforscht und gegraben. "Die Mongolen haben eine kosmopolitische Stadt aus der Steppe gestampft - und zwar mit den besten Künstlern, die die Welt und das Weltreich hatte", erzählt Henriette Pleiger. "Man hatte mit Hilfe chinesischer Architekten einen Palast gebaut. Man hatte ein chinesisches Viertel, ein arabisches Viertel. Es muss dort eine beeindruckende Stadt gestanden haben. Geblieben ist nicht jedoch nicht viel, da Karakorum 1380 von den Chinesen zerstört wurde."

Lebendige Tradition

Bundeskunsthalle Ausstellung Dschingis Khan und seine Erben
Musikinstumente aus der Mongolei aus dem 19. JahrhundertBild: AP

Im Namen von Dschingis Khan geht es heute weniger um Erinnerung an heldenhafte Eroberungen und Unterwerfungen eines Steppenvolkes allein. Vom Schamanismus bis zum Stalinismus schlägt die Ausstellung einen weiten Bogen durch die Jahrhunderte und bemüht sich um Korrekturen des Geschichtsbildes. Allerdings: Über die Taktik der legendären Reitertruppen erfährt man wenig, stattdessen viel über die straffe Organisation und Kontrolle des Riesenreiches unter strenger Herrschaft - bei gleichzeitiger Toleranz.

Dschingis Khan ist noch heute in der Mongolei überall anzutreffen: Sein Konterfei ist auf aktuellen Geldscheinen und Wodkaflaschen abgebildet und hängt in Amtsstuben. Der Rückgriff auf Traditionen und eine historische Integrationsfigur erleichtert auch den legitimen Wunsch der heutigen Mongolei, aus der einstigen kommunistischen Umklammerung in eine Demokratie überzugehen.