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Die Macht des Klangs

Kyle James14. Januar 2007

Für die einen ist es viel Lärm um nichts. Für "Sound-Designer" aber ist der Klang eines Produkts der Schlüssel zum Erfolg. Immer mehr Unternehmen setzten auf die Ingenieure des Klangs.

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Ein fertig gebackener Bahlsen-Keks
Die Mischung macht's: Butter und Zucker sorgen für den richtigen Biss - und den passenden Klang dazuBild: dpa Zentralbild

Angesichts eines zunehmenden Wettbewerbs suchen Unternehmen nach immer neuen Wegen, um die Attraktivität ihrer Produkte zu steigern. Ein Aspekt, auf den Marketing-Strategen ein Auge - oder besser: ein Ohr - geworfen haben, ist der Klang. Der Unterschied, den der Produktklang ausmacht, mag gering erscheinen, doch er kann für den Verkaufserfolg ausschlaggebend sein.

Wenn Steffen Weise, Direktor der Abteilung für Forschung und Entwicklung von Deutschlands größtem Kekshersteller Bahlsen, eines der hauseigenen Produkte auf einem Teller sieht, denkt er nicht nur an den süßen Buttergeschmack oder die feine Orangennote in einer der neusten Gebäckkreationen. Vielmehr versucht er sich vorzustellen, wie es klingt, wenn das Produkt zwischen den Zähnen zermalen wird.

Butterkeks ist nicht gleich Butterkeks

"Stellen Sie sich nur mal einen Keks auf einem Teller vor, der sehr kross aussieht", sagt er und schaut dabei etwas unglücklich drein. "Aber wenn Sie reinbeißen, ist er sehr weich und unangenehm." Das sei genau das, was Bahlsen und die meisten Gebäckkonsumenten nicht erleben wollen.

Das Unternehmen mit Sitz in Hannover, das 1891 gegründet wurde, ist seit Jahrzehnten für seine Butterkekse bekannt und wirbt bereits seit den sechziger Jahren mit dem kräftigen Knackgeräusch, das dabei entsteht, wenn man in den Keks beißt. Erst kürzlich entschloss man sich allerdings, dass man die Bemühungen in der Forschung und Entwicklung intensivieren wolle. Hatte man sich in der Vergangenheit bei Bahlsen hauptsächlich dem Geschmack und der Konsistenz der Produkte gewidmet, rücken zunehmend auch akustische Elemente in den Vordergrund. Bahlsen war eines der ersten Unternehmen, die die Bedeutung der akustischen Sinneswahrnehmung für sich entdeckten.

Mikrofone im Ohr

Das Ohr einer Frau
Ganz Ohr: Bahlsen will mit Spezialmikrofonen das Geheimnis des Klangs entschlüsselnBild: Illuscope

Das Unternehmen begann damit, die Reaktionen von Zielgruppen auf verschiedene Keksrezepturen zu analysieren. Im Laufe der Zeit entwickelte man ausgeklügelte Aufnahmesysteme und Mikrofone, die in den Ohren der Probanden platziert wurden, um möglichst akkurat die Geräusche aufnehmen zu können, die beim Kauen der Kekse entstehen.

Außerdem wurden spezialisierte Computerprogramme entwickelt, mittels derer Testpersonen unterschiedliche Knackgeräusche bewerten können. Gleichzeitig werden die Reaktionen aufgezeichnet, die durch den Klang ausgelöst werden. Anhand dieser Ergebnisse können die Rezepturen verbessert werden, bis das richtige Knackgeräusch für die richtige Zielgruppe gefunden ist. Fügt man zum Beispiel mehr Butter hinzu, ist der Klang weicher, während mehr Zucker das Geräusch härter klingen lässt.

Zucker für die Jungen, Butter für die Alten

Bahlsen hat herausgefunden, dass jüngere Konsumenten ein kräftigeres, knuspriges und geradezu "aufregendes" Knacken bevorzugen. Für sie signalisiere es Jugend, Abenteuerlust und Dynamik. Ältere Menschen favorisierten hingegen oftmals ein weicheres, zarteres Klangerlebnis, das ein luxuriöses Lebensgefühl suggeriere. Alles was es dazu braucht, ist ein Hauch mehr Butter.

"Ältere Menschen haben kein Interesse an lauten und stressigen Situationen", erklärt Weise. "Sie wollen sich entspannen und ihr Essen genießen. Sie brauchen keine zusätzliche 'Action' beim Essen."

"Verschlüsselte Botschaften"

Für Bahlsen und andere Unternehmen, die mit Klängen arbeiten, dreht sich alles um den Begriff der "verschlüsselten Botschaft": Die Konsumenten sollen durch das Produkt eine Botschaft erhalten, ohne dass sie es selber bemerken. Diese unterschwellige Nachricht sollte positiv sein und dem Verbraucher, der sich mit einer Auswahl von 20 Kekssorten oder 30 verschiedenen Bieren konfrontiert sieht, sagen: "Kauf mich und nicht das andere Produkt!"

"Wenn man einen spezifischen Klang hört, verbindet man idealerweise bereits beim Öffnen einer Flasche positive Assoziationen mit dem Produkt", sagt Brigitte Schulte-Fortkamp, Professorin am Institut für Technische Akustik an der Technischen Universität Berlin. "Das ist nicht wirklich ein bewusster Prozess. Man wird beeinflusst, ohne es zu bemerken."

Vom Deo bis zum Elektro-Rasierer

Während das "Sound Design" in der Lebensmittelindustrie recht neu ist, werden in anderen Branchen schon seit Längerem Klang-Ingenieure beschäftigt. Das Spektrum reicht von Deoderant-Sprays für Frauen (diese sollten beim Versprühen sanft und beruhigend klingen) über Mückenschutzspray (das etwas kraftvoller klingen sollte, um die kleinen Biester fernzuhalten) bis hin zu elektrischen Rasierern.

Heutzutage werden Sound-Designer mit guten Köchen verglichen, die ihre "akustischen Rezepte" so verfeinern, dass beim Verbraucher positive Erwartungen und keine bösen Überraschungen hervorgerufen werden.

Zuverlässiges Schnurren

Das neue 911 Turbo Cabriolet des deutschen Autobauers Porsche
Wild und zügellos: Nicht nur die Optik soll Kundenherzen höher schlagen lassenBild: AP

Das Produkt, dessen Klang vermutlich am intensivsten optimiert wird, ist das Auto. Das Zuknallen einer Autotür sollte beispielsweise eine gewisse Sicherheit ausstrahlen. Jedes Geklapper ist dabei tunlichst zu vermeiden. Der Fahrer eines Volvos möchte wahrscheinlich, dass der Motor seines Autos leise und zuverlässig schnurrt. Demgegenüber will ein Porschefahrer einen Klang, der rohe, ungezügelte Kraft suggeriert.

Immer mehr Betriebe stellen auch Sound-Designer ein, die Erkennungsmelodien für das Unternehmen komponieren. Der Öffentlichkeit soll so mitgeteilt werden: "Das sind wir" - oder zumindest: "So wollen wir wahrgenommen werden."

Musik fürs Unterbewusstsein

Eine Versicherungsgruppe wie Allianz möchte mir ihrer Musik Zuverlässigkeit und Vertrauen ausstrahlen. Eine Marke wie Audi braucht einen Klang, der Dynamik und Geschwindigkeit, nicht aber Rücksichtslosigkeit signalisiert.

"Wir interpretieren eine Marke auf eine akustische Weise, so dass Leute, die es hören, denken: 'Oh, das ist was für mich'", sagt Carl-Frank Westermann, Leiter der Sound-Abteilung des in Berlin ansässigen Unternehmens MetaDesign. Er hat sowohl für Allianz als auch für Audi so genannte Jingles komponiert.

"Leisetreter" sind Ladenhüter

Ein roter Teppich wird gesaugt, aufgenommen am 20.01.2005 in Frankfurt am Main.
Manche mögen's laut: Leise Staubsauger haben sich nicht bewährtBild: picture-alliance/dpa

Während fast jeder Klang zu einem gewissen Maße augepeppt werden kann, haben sich einige Optimierungsversuche wider Erwarten als kontraproduktiv erwiesen. So wurden in der Vergangenheit Staubsauger entwickelt, die viel leiser als das Gejaule marktüblicher Geräte sind. Überraschenderweise mussten Unternehmen aber feststellen, dass sich die "Leisetreter" schlechter verkaufen lassen. Für viele Verbraucher stand das laute Geräusch mit dem Kopfschmerzpotential für eine überragende Qualität. Dies hat die Unternehmen zum Umdenken veranlasst. Seitdem lärmen wieder die lauten Geräte durch deutsche Wohnzimmer.