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Die katholische Kirche in Kuba - ein dritter Akteur

28. Juli 2010

Die Freilassung der kubanischen Gefangenen aus der Haft ist auch der katholischen Kirche zu verdanken. Ihre Rolle ist im Sozialismus Castros stetig gewachsen.

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Ein Arbeiter geht mit einer Schubkarre an einem Graffiti vorbei. Darauf abgebildet sind Kubas Unabhängigkeitskämpfer Jose Marti, Kubas Revolutionsheld Ernesto "Che" Guevara und Chiles ehemaliger Präsident Salvador Allende (Foto: AP Photo/Esteban Felix)
Graffiti: Jose Marti, Che Guevara, Salvador AllendeBild: AP

"Kuba wird weder auf Druck aus dem Ausland noch auf Erpressung reagieren", schrieb die Zeitung "Granma" im vergangenen März. Sie ist die offizielle Zeitung der Kommunistischen Partei Kubas – der einzig legalen Partei im Land. Anfang Juli jedoch brachten Verhandlungen der katholischen Kirche die Regierung dazu, eine öffentliche Demonstration der oppositionellen Gruppierung "Damen in Weiß" zu erlauben und sich zur Freilassung von mindestens 52 politischen Gefangenen bereit zu erklären. Wie ist dieser Einfluss der katholischen Kirche im Sozialismus Fidel Castros zu erklären?

Politik des Atheismus ist gescheitert

"Sie bedienten sich wenig heroischer Formen des Widerstands: Im Dialog mit der Regierung begrüßten sie die sozialen Errungenschaften, kritisierten aber ihre autoritäre Verhaltensweise. So schafften es die katholische Kirche und andere Religionsgemeinschaften, die Politik des Atheismus zum Scheitern zu bringen, die bis zu den 80er Jahren untrennbarer Teil des kommunistischen Projektes war", erinnert sich Arturo López-Levi, kubanisch-amerikanischer Politikwissenschaftler an der Universität von Denver.

"Die katholische Kirche ist heute die älteste Institution des Landes – und das unterscheidet sie von allen anderen religiösen oder weltlichen Institutionen der kubanischen Zivilgesellschaft", sagt der kubanische Soziologe Aurelio Alonso. Die katholischen Netzwerke sind zudem in ihrer Struktur viel weiter entwickelt als die aller anderen Institutionen: es gibt 602 katholische Kultstätten in Kuba sowie 888 religiöse, diverse Laienvereine unter Studenten, Journalisten und Frauen, es gibt ein sichtbares Netz an sozialer Fürsorge (über die Caritas) und mehr als 20 diözesane Zeitungen und Zeitschriften, die von mindestens einer Viertelmillion der insgesamt 11 Millionen Kubaner gelesen werden und sich der Regierung gegenüber oft kritisch äußern.

Weder Opposition noch Regierung

Papst Johannes Paul der Zweite schüttelt Fidel Castro die Hand (Foto: AP Photo/Paul Hanna, Pool)
1998: Papst Johannes Paul II mit Fidel CastroBild: AP

"Die Kirche ist ein dritter nationaler Akteur: Sie ist weder Opposition noch Regierung, aber sie gehört zur Nation", sagt López-Levi. Als der internationale Druck verschärft wurde und die Regierung sich weigerte, sich diesem zu beugen, "hat sie einen akzeptablen Ausweg vorgeschlagen". Der kubanische Soziologe Aurelio Alonso sieht in der Kirche "eine wertvolle Gegenstimme in Angelegenheiten, die nur intern – und nicht über außenpolitische Beziehungen – gelöst werden können".

Allerdings ist dies das erste Mal, dass die kubanische Regierung die Kirche als Vermittler in staatlichen Angelegenheiten zulässt, die nichts mit Religion zu tun haben. Im Jahr 1998 war es der Besuch von Papst Johannes Paul II, der die Freilassung von 101 politischen Gefangenen ermöglichte. Und bereits vorher hatte die Regierung auf die Forderung der nationalen Bischofskonferenz in den 80er Jahren hin mehr als tausend Personen erlaubt, in die USA auszureisen – darunter politische Gefangene und ihre Familienangehörigen.

Starker Arm der kubanischen Zivilgesellschaft

In der katholischen Kirche – ebenso wie in anderen religiösen Gemeinschaften in Kuba – kommen sowohl Personen und Institutionen aus Oppositionskreisen als auch Befürworter der Regierung zusammen.

Freiheitstheologe Frei Betto steht an einem Rednerpult (Foto: AP Photo/Cristobal Herrera)
Freiheitstheologe Frei BettoBild: AP

Dem Freiheitstheologen Frei Betto zufolge, der den Castro-Brüdern nahe steht, verdankt die kubanische Kirche ihre Bedeutung vor allem der Verhandlungsstärke des Kardinals von Havanna, Jaima Ortega: "Seine Rolle als Geistlicher ist es, die besten Voraussetzungen zur Evangelisierung des kubanischen Volkes zu schaffen. Er weiß, dass humanitäre Aktionen wie die Befreiung von Gefangenen nicht nur das Ansehen der Kirche stärken, sondern vor allem ihre tiefe Evangeliumstreue bezeugen", schrieb Betto der christlichen Nachrichtenagentur "Adital".

Ortega setzt auf Dialog

Oswaldo Payá, der Anführer der oppositionellen Christlichen Befreiungsbewegung und Träger des Sacharow-Preises - dem europäischen Menschenrechtspreis - , kritisiert die kubanische Kirche, weil sie die Rolle des "einzigen Gesprächspartners" der Regierung angenommen habe und damit die eigenen Gegner ausschließe. López-Levi wendet jedoch ein, dass "die Kirche sich unter den einzig möglichen Bedingungen auf den Dialog mit dem Staat eingelassen habe".

Kubas Kardinal Jaime Ortega sitzt mit Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos an einem Tisch(Foto: AP Photo/Javier Galeano)
Kubas Kardinal Jaime Ortega (links)Bild: ap

Kardinal Ortega kritisierte die Politik der USA und der Europäischen Union, weil diese darauf bestünden "am Ende zu beginnen" und mit Kuba erst in Dialog treten wollen, wenn das Land seine Politik in Menschenrechtsfragen ändere. "Ich bin überzeugt, dass der erste Schritt sein muss, sich zu treffen und zu reden. Im Verlauf des Dialogs können dann Maßnahmen in die Wege geleitet werden, die schwierige Situationen verbessern oder besonders kritische Punkte überwinden können", äußerte er gegenüber "Palabra Nueva", der Zeitschrift der Erzdiözese von Havanna, noch bevor er die aktuellen Freilassungen ausgehandelt hatte.

Autor: Rosa Muñoz
Redaktion: Ulrike Mast-Kirschning