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Jung und revolutionär

10. Februar 2009

Der 10. Februar wird im Iran als Tag der Revolution gefeiert. An der Festveranstaltung in Teheran nehmen auch viele tausend Jugendliche teil. Aber nicht alle sind glühende Anhänger der islamischen Revolution.

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Junges Paar im Laleh Park in Teheran - Foto: dpa
Laleh Park in TeheranBild: dpa - Report

Iran ist eine junge Nation. Mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren suchen entsprechend viele jungen Menschen nach Möglichkeiten ihren Alltag zu gestalten, zumal Alkohol und westliche Musik verboten sind.
Teheran, die Hauptstadt Irans mit ihren ungefähr 15 Millionen Einwohnern, liegt am Hang des Alburz- Gebirges. Eine kleine Gruppe von jungen Menschen trifft sich hier jeden Freitag zum Bergsteigen. Freitag ist der einzige freie Tag in der Woche. Nach dem Bergsteigen gehen sie in ein kleines Cafe, um etwas zu trinken. Und eigentlich trinken sie immer schwarzen Tee.

Revolutionsdebatte bei Tee


Im Radio läuft ein Lied über die Revolution. Schließlich stehen die Revolutionsfeierlichkeiten vor der Tür. Mohammed, studierter Mathematiker, ist mit seinen 29 Jahren quasi ein Kind der Revolution: “Ich habe darüber noch nicht so genau nachgedacht, aber wahrscheinlich gehe ich am Revolutions-Feiertag zur Kundgebung. Früher sind wir mit der Schule immer dorthin gefahren und mit den Demonstranten mit gelaufen.“

Die Kindheit junger Menschen von damals wurde vom iran- irakischen Krieg geprägt, der ein Jahr nach der Revolution ausbrach und acht blutige, lange Jahre dauerte. Mohammeds Bruder war Soldat und ist in diesem Krieg gefallen. Er gilt als Märtyrer. Die Revolution und der Krieg sind im Bewusstsein vieler Iraner eng miteinander verflochten – genauso will es der Staat auch haben. Überall in Teheran sieht man in diesen Tagen wieder Plakate mit Märtyrerbildern und Aufschriften: Die Revolution ist aus dem Märtyrerblut hervorgegangen. Auch Mohammed glaubt fest daran: “Keiner ist im Iran gegen die Revolutionswerte. Sie sind vielleicht gegen das politische System, aber nicht gegen die Revolution selbst.

Bildgalerie Iran Irak Krieg 1980 bis 1988
Acht Jahre hat der iranisch-irakische Krieg gedauertBild: AP

Die Revolution enttäuscht ihre Kinder

Bedauerlich findet er nur, dass die Herrschenden im Iran die Revolution für sich gepachtet haben und eigenmächtig bestimmen, wie das Land heute regiert wird. „Einige bezeichnen sich als Eigentümer der Revolution.“


Hadi, sein Freund, ist anderer Meinung. Der junge Mann ist 28 Jahre alt und der Einzige in der Gruppe ohne Hochschulabschluss, obwohl seine Eltern Akademiker sind. Sie waren an der Revolution unmittelbar beteiligt. Hadi, ist jedoch davon überzeugt, dass schon damals, vor 30 Jahren, etwas schief gegangen ist: “ Die Revolution und ihre Werte sind direkt nach dem Sieg pervertiert worden. Hatte denn nicht Khomeini gesagt: „Wir führen die Revolution bis zum Sieg und nachher übergeben wir sie in die Hände kompetenter Leute? Doch nachher haben die Mullahs alle anderen, die auch jahrelang gekämpft haben, außen vor gelassen.“

Sanaz, eine junge Frau, sitzt am Rande des Tisches und spielt mit ihrem Handy, während die anderen über die Revolutionswerte diskutieren. Die 26-jähhrige hat Chemie studiert und überlegt sich, ins Ausland zu gehen. Viele junge Akademiker sind im Iran arbeitslos. Sanaz gehört zu ihnen:„Ich habe keine Lust, die Revolution zu verteidigen oder bei den Feierlichkeiten mitzumachen. Ich will nur ruhig leben, einen Job haben und ein normales Leben führen. Genau das, was in diesem Land nicht möglich ist. Die Revolution lässt es nicht zu.“

Musik und Alkoholverbot


Nach der Revolution wurden alle Nacht-Cafés, Discotheken und Spielhallen geschlossen. Alkohol und westliche Musik sind verboten. Die Frauen müssen Kopftuch tragen. Wenn Sanaz mit einem Mann, der nicht zur Familie gehört, von den Revolutionswächtern erwischt würde, bekäme nicht nur sie, sondern die ganze Familie Ärger. Das kann eine offizielle Ermahnung, ein Bußgeld oder sogar eine Gefängnisstrafe bedeuten. Sanaz sieht der Zukunft nicht besonders optimistisch entgegen: “Die heutige Situation muss sich ändern. Und das scheint unmöglich zu sein, weil ja alle zusammen mitmachen müssten. Genau das werden sie aber nicht tun.“

Jede Art der Kritik, geschweige denn Protest, wird von der iranischen Regierung als Verrat an der Revolution, ihren Werten und am Märtyrerblut bezeichnet. Privat haben aber junge Iraner unterschiedliche Einstellungen zur Islamischen Revolution und ihren Werten – manche bekennen sich dazu, manche sind dagegen, manchen ist es egal, sie wollen bloß ihr eigenes Leben ruhig führen.

Frau mit Kopftuch geht an Wahlplakaten vorbei, Iran
Alle Frauen im Iran tragen KopftuchBild: dpa

Fluchtpunkt Berge

Das Bergsteigen ist allerdings für alle aus dieser Gruppe eine Gelegenheit, der allgegenwärtigen Aufsicht von Revolutionswächtern zu entkommen. Sich für ein paar Stunden frei zu fühlen. Wenn sie nach Teheran zurückkehren, werden Plakate mit Revolutionsparolen und Nationalfahnen diese jungen Iraner an die Revolution wieder erinnern. Wie es im Februar nun schon seit 30 Jahren immer üblich ist. Für diese jungen Menschen hier – schon ihr Leben lang.

Autorin: Shabnam Nourian
Redaktion: Daniel Scheschkewitz