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Demokratie-Test erfolgreich: Kommunalwahlen in Mazedonien weitgehend ruhig verlaufen

17. März 2005

Die Kommunalwahlen in Mazedonien verliefen weitgehend ohne ethnisch motivierte Zwischenfälle. Damit hat das Land eine wichtige Hürde im Friedensprozess genommen, meint Nada Steinmann in ihrem Kommentar.

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Den Test für die demokratische Reife der Nation haben die Bürger Mazedoniens bei den Kommunalwahlen am Sonntag (13.3.) bestanden. Auf dem Prüfstand stand auch der Friedensprozess in dem Balkan-Land, das in den letzten Jahren immer wieder von ethnischen Spannungen erschüttert wurde. Auch diese Prüfung wurde bestanden. Gewaltsame Ausschreitungen gab es zwar in Einzelfällen. Aber abgesehen davon und von den für den Balkan typischen Freudenschüssen sind diese Wahlen frei und demokratisch verlaufen.

Wichtige Etappe im Friedensprozess

Nicht nur der Präsident Mazedoniens, Branko Crvenkovski, deutet das als Sieg und Bestätigung der hohen demokratischen Werte des Landes, das mit allen Mitteln für eine euro-atlantische Integration kämpft. Auch die internationale Presse und die Analytiker bewerten die Kommunalwahlen in Mazedonien als Zeichen, dass die letzte Etappe des Ohrider Friedensabkommens von 2001 zufriedenstellend umgesetzt wird. Die Frage der Minderheitenrechte hat bei den Kommunalwahlen keine entscheidende Rolle mehr gespielt. Auch dies deutet man als Erfolg.

So gesehen sind tatsächlich große Fortschritte erzielt worden. Demnächst werden die neu zugeschnittenen Kommunen in Mazedonien mehr Rechte bekommen. Die Bürgermeister der mazedonischen Kommunen - ob Mazedonier, Albaner, Türke oder Roma - werden mehr Kompetenzen haben. Soweit so gut.

Keine Kultur der Institutionen

Aber hat Mazedonien die Kapazitäten und das Bewusstsein für die neuen Aufgaben? Es ist zu wenig Aufklärungsarbeit geleistet worden, und die Menschen sehen sich von den neuen Aufgaben überfordert. Der Staat war bis jetzt an allem schuld und für alles verantwortlich. Die alten sozialistischen Zeiten sind noch nicht sehr lange Vergangenheit. Die Menschen - und das ist nicht nur typisch für Mazedonien, sondern für den ganzen Balkan - handeln nach der alten sozialistischen Maxime: "Finde dich irgendwie zurecht". Es ist keine Kultur der Institutionen verankert. Die Bürger haben kein Vertrauen in den Institutionen des Systems, weil das System nicht funktioniert.

Daran ist nicht Mazedonien alleine schuld. Auch der Westen hat versäumt, die politische Eigenverantwortung der Menschen und des Staates zu fördern. Man hat die gravierenden Probleme aus der noch unvollendeten politischen Neuordnung Südosteuropas nach dem Zerfall Jugoslawiens außer Acht gelassen. Stattdessen wurde die "europäische Perspektive" immer mehr mit neuen und schweren Aufgaben in Aussicht gestellt.

Wirtschaftliche Rückständigkeit

Indem man sich immer mehr an europäischen Werten, Prinzipien und Standards orientierte, vergaßen die Verantwortlichen in Mazedonien die wirtschaftliche Rückständigkeit des Landes. Bekanntermaßen schüren Arbeitslosigkeit und Armut Frustrationen, unterminieren die demokratische Konsolidierung und bieten einen Nährboden für Nationalismus und Kriminalität. Zu viele Menschen fühlen sich existentiell bedroht und glauben, dass der Staat ihren Problemen gegenüber gleichgültig und hilflos ist.

Noch ein weiter Weg zur EU

Aufgrund der schwierigen politisch-institutionellen und ökonomischen Ausgangslage wird Mazedonien erst in den nächsten zehn, wenn nicht gar 20 Jahren die Kriterien für die EU-Mitgliedschaft erfüllen können. Der lange Zeithorizont birgt die Gefahr, dass bisherige Stabilisierungs- und Reformerfolge durch politische Frustrationen wieder zunichte gemacht werden. So beißt sich die Katze ständig in den Schwanz. Und die Leidtragenden sind die Menschen, die jetzt zwar mehr Rechte haben sollen, aber immer noch nicht wissen, was sie damit anfangen sollen.

Nada Steinmann
DW-RADIO/Mazedonisch, 14.3.2005, Fokus Ost-Südost