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Delikate Machtbalance in Asien

Thomas Bärthlein9. April 2005

Im schwierigen asiatischen Kräfteverhältnis zwischen China und Indien, den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Erde, zeichnet sich eine Entspannung ab: Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao besucht Indien.

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Auf Schmusekurs:<br>Chinas Ministerpräsident Wen JiabaoBild: APTN/DW

Zu Zeiten des Kalten Krieges war alles ein bisschen übersichtlicher. Da gab es klare Fronten in Asien: Die Sowjetunion war mit Indien verbündet. China dagegen stand mit beiden auf Kriegsfuß und unterstützte stattdessen Indiens Erzfeind Pakistan. Auch die Vereinigten Staaten standen eher an Islamabads Seite, um den sowjetischen Einfluss in der Region klein zu halten.

Eröffnung der Kashmir Buslinie zwischen dem indischen Srinagar und Muzaffarabad
Wiedereröffnung der Kaschmir-BuslinieBild: AP

Inzwischen hat sich einiges geändert. Dialog und Kooperation scheinen auf einmal das Gebot der Stunde zu sein. Nicht nur zwischen Indien und Pakistan, die an diesem Donnerstag (7.4.2005) die erste Busverbindung im geteilten Kaschmir feierten. Auch zwischen den asiatischen Riesen China und Indien hat sich das Klima deutlich verbessert: Arbeitsgruppen bemühen sich darum, alte Grenzstreitigkeiten zu lösen, während sich die Wirtschaftsbeziehungen dynamisch entwickeln.

Ende der Bipolarität

Dabei gibt es viele Experten, die glauben, dass die einzige verbliebene Weltmacht USA diese Entwicklung gar nicht gerne sieht. Die USA, so die oft gehörte These, wollten Indien zu einem regionalen Gegengewicht zu China ausbauen. Bisher waren sie damit jedenfalls nicht erfolgreich, sagt Christian Wagner, Südasien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik: "Auch Indien und China haben ihre Beziehungen in den letzten Jahren verbessert. Beide betonen zum Beispiel immer die Multipolarität und wenden sich damit sozusagen indirekt gegen eine mögliche Dominanz der USA."

Wagners Kollege, der Politikwissenschaftler Hassan Askari aus dem pakistanischen Lahore, glaubt, dass die Asienpolitik der USA eine Schlüsselrolle im chinesisch-indischen Verhältnis spielt: "Wenn Indien gute Beziehungen zu China hat, dann werden die USA Indien nicht gegen China aufbauen können, weil Indien ja sein gutes Verhältnis zu China schätzen wird. Und ein gutes Verhältnis zu Pakistan ist für die Chinesen wiederum wichtig, weil das einen ständigen Zugang etwa zum Mittleren Osten garantiert."

Mehr Stabilität

Nun war es sicherlich nicht in erster Linie China, das Indien und Pakistan zurück an den Verhandlungstisch gebracht hat. Die USA spielten auch hier eine Schlüsselrolle. Und neben Afghanistan und der nuklearen Bedrohung durch den Kaschmirkonflikt war ein Motiv zweifellos, dass die Amerikaner mit Indien wie mit Pakistan gute Beziehungen anstrebten.

Nach diesem Prinzip funktioniert das internationale System in Asien nach dem Ende des bipolaren Denkens: Keine Regionalmacht kann sich einen Konflikt mit einer anderen wirklich leisten - denn davon würden wiederum Dritte profitieren. Diese Ordnung beruht also nicht darauf, dass sich Indien und Pakistan oder Indien und China plötzlich vertrauen würden. Aber sie brauchen einander, und das sorgt letzten Endes wahrscheinlich für mehr Stabilität.

China muss Farbe bekennen

Symbolbild China Indien Militär
Säbelrasseln gehört nicht mehr zum indisch-chinesischen AlltagBild: APTN

Einfach ist es allerdings nicht, in einem solchen Kräfte-Gleichgewicht die Balance zu halten. So wird China eines Tages zum Beispiel Farbe bekennen müssen, ob es - gegen den Willen Pakistans - eine ständige Mitgliedschaft Indiens im UN-Sicherheitsrat unterstützt. Raghunath Jha, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des indischen Parlaments, rechnet jedenfalls vorsichtig optimistisch mit dem Nachbarn: "Wir hoffen schon, dass China Indien unterstützt dabei, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat mit Vetorecht zu bekommen. Denn wenn uns das gelingt, wäre das für ganz Asien ein großer Erfolg."