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China droht Teilnehmern der Nobelpreisvergabe

5. November 2010

China erhöht im Vorfeld der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Bürgerrechtler Liu Xiaobo den Druck: Wer an der Zeremonie teilnehme, müsse mit Schäden für die bilateralen Beziehungen rechnen, hieß es aus Peking.

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Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo (Foto:AP)
Ist China ein Dorn im Auge: Friedensnobelpreisträger Liu XiaoboBild: AP

China hat die internationale Staatengemeinschaft brieflich vor einer Teilnahme an der Zeremonie in Oslo gewarnt und mit Konsequenzen gedroht. In dem Schreiben an die in der norwegischen Hauptstadt akkreditierten Vertretungen forderte die chinesische Botschaft die europäischen Länder zudem auf, am Tag der Preisverleihung keine offiziellen Erklärungen zur Unterstützung Lius abzugeben. In dem Brief würde zwar nicht explizit ein Teilnahmeverzicht verlangt, sagte ein schwedischer Diplomat. Zwischen den Zeilen werde dies aber sehr deutlich.

Das machte auch Chinas Vizeaußenminister Cui Tiankai klar: "Die Wahl, vor der einige europäische Länder und andere stehen, ist klar und einfach: Wollen sie Teil eines politischen Spiels sein, das Justizsystem Chinas herauszufordern, oder wollen sie auf verantwortliche Weise echte freundschaftliche Beziehungen mit Chinas Regierung und Volk entwickeln?" Sie müssten sich entscheiden, sagte Cui am Freitag (04.11.2010). "Wenn sie die falsche Wahl treffen, müssen sie die Konsequenzen tragen."

Zahlreiche Diplomaten wollen teilnehmen

In der deutschen Botschaft wurden chinesische Diplomaten mit einer mündlichen Note vorstellig, wie das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte. Die deutsche Position sei bekannt, teilte eine Regierungssprecherin mit. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle hätten die Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo begrüßt. Beide hofften, "dass der Preisträger selbst die Auszeichnung entgegennehmen könne".

Kanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle (Foto: AP)
Sie schicken ihren Diplomaten: Kanzlerin Merkel und Außenminister WesterwelleBild: AP

Traditionell entsende die Bundesregierung einen Vertreter zu der Verleihungszeremonie, so die Sprecherin. Es gebe auch in diesem Jahr keinen Grund, von dieser langjährigen Praxis abzuweichen. Dies sei der chinesischen Führung mitgeteilt worden.

Ähnlich äußerte sich auch das britische Außenministerium. Die Diplomaten müssen bis zum 15. November ihre Teilnahme an der Zeremonie anmelden. Nach Angaben des norwegischen Nobelpreiskomitees wurden mehr als 1000 Einladungen verschickt. Abgesagt hat bisher allein China.

Aus diplomatischen Kreisen hieß es weiter, Peking habe in dem Schreiben seine Haltung bekräftigt, Liu sei ein Krimineller und der Friedensnobelpreis für den Dissidenten eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik. Der Preis werde ideologisch missbraucht, um Staaten an ihrer friedlichen Entwicklung zu hindern, die nicht den westlichen Standards entsprächen, heißt es in einem Kommentar der kommunistischen Parteizeitung.

Der Literaturkritiker Liu Xiaobo war im Dezember 2009 wegen Untergrabung der Staatsgewalt zu einer elfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Er ist Mitautor der "Charta 08", in der Dissidenten Reformen, Freiheiten und das Ende des Machtmonopols der Kommunistischen Partei in China forderten. Seit Liu im Oktober der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde, steht auch seine Frau unter Hausarrest.

Anwälte Lius sagten am Donnerstag, sie hätten die Vereinten Nationen aufgefordert, das Urteil gegen Liu zu untersuchen. Ein entsprechender Antrag sei an die UN-Arbeitsgruppe zu willkürlichen Verhaftungen gerichtet worden, sagte die Leiterin der Menschenrechtsgruppe Freedom Now, Maran Turner. Lius Haft stehe im Widerspruch zu internationalem Recht und der chinesischen Verfassung.

Peking weiter auf Repressionskurs

Der Künstler Ai Weiwei (Foto: DW)
Erlebt Pekings Repressionen: Künstler Ai WeiweiBild: DW/Ruth Kirchner

Unterdessen setzt China seine Politik der verschärften Verfolgung Andersdenkender fort. In Peking wurde der international bekannte Konzeptkünstler Ai Weiwei unter Hausarrest gestellt. Die Polizei habe ihn aufgefordert, sein Haus bis Sonntag nicht zu verlassen, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Der berühmteste chinesische Gegenwartskünstler hatte für Samstag ein Fest anlässlich der zwangsweisen Schließung seines Ateliers in Shanghai geplant. Dabei wollte er ein Flusskrebse-Essen veranstalten. Deren Name ähnelt in der chinesischen Sprache dem Wort für Harmonie. Chinesische Kritiker benutzen den Begriff gerne, wenn es um Zensur, die Unterdrückung von Meinungen oder Verfolgung im Allgemeinen geht.

Das deutsche P.E.N.-Zentrum zeichnete derweil Liu Xiaobo mit dem diesjährigen Hermann-Kesten-Preis aus. Die Schriftstellervereinigung würdigte ihn als einen friedlichen Verkünder der Menschenrechte. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verlieh Liu zusammen mit fünf anderen Menschenrechtsaktivisten den "Alison Des Forges"-Preis, weil sie "ihr Leben für die Würde und die Rechte Anderer riskieren".

Autor: Gerhard M Friese ( dpa, afp, dapd, kna, rtr)
Redaktion: Ursula Kissel

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