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PanoramaBenin

Benin: Filme von Frauen aus ganz Afrika

Katrin Gänsler
23. Februar 2024

Benins Internationales Frauenfilmfestival bringt 18 Filme auf die Leinwand, die alle von Frauen gedreht wurden. Ins Leben gerufen hat es die Filmemacherin Cornélia Glele, eine Kämpferin für Gleichberechtigung.

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Frauen eines Filmteams stehen am linken Bildrand und nehmen eine Szene auf: Eine junge Frau liegt mit Kleid und Kopftuch auf einem Bett und schaut in die Filmkamera.
Bild: Katrin Gänsler

Der Saal des einzigen Kinos von Cotonou, der Wirtschaftsmetropole von Benin, ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Wer zu spät kommt, muss sich auf den Boden hocken. An diesem Abend steht eine Frau im Mittelpunkt: Cornélia Glele. Bereits zum dritten Mal seit 2019 organisiert sie das Internationale Frauenfilmfestival (FIFF) von Cotonou, das noch bis Samstag stattfindet. Dabei ist Glele gerade einmal 26 Jahre alt. Doch es ist ihr gelungen, Filmemacherinnen, Regisseurinnen und Schauspieler aus ganz Afrika nach Benin zu holen. Noch bis morgen laufen 18 Filme im Wettbewerb, der Debatten angestoßen hat - über afrikanische Produktionen ebenso wie die Rolle von Frauen in der Filmindustrie. Alle Festivalbeiträge sind von Frauen verantwortet.

Festivalorganisatorin Cornélia Glele steht beim beim Internationalen Frauenfilmfestival Cotonou vor einem orangefarbenen Festivalplakat und spricht in ein orangefarbenes Mikrofon
Cornélia Glele hat mit gerade 22 Jahren erstmals das Frauenfilmfestival in Cotonou veranstaltetBild: Katrin Gänsler

Cornélia Glele ist Journalistin, Filmemacherin und Bloggerin. Im Zentrum zu stehen und allen Applaus zu bekommen, das ist nicht ihre Sache. Stattdessen spricht sie lieber über die Neuheit des diesjährigen Festivals: Der Eröffnungsfilm "Malaïka" ist ein Projekt ihres Vereins "EcranBénin", der das Filmfestival organisiert. Für den Film sind zehn junge Frauen aus mehr als 100 Bewerbungen ausgewählt worden, zum Teil ganz ohne Filmerfahrung - die sich dann um alle Bereiche von den Kostümen über das Darstellen bis hin zur Kameraführung selbst gekümmert haben.

"Ich kannte sie nicht persönlich. Es sind also keine Freundinnen von mir", sagt Glele, um den Verdacht der Vetternwirtschaft gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zwei Monate bekamen sie einen Crashkurs in allen Bereichen der Filmproduktion. Höhepunkt des Experiments war der siebentägige Dreh in der Stadt Parakou im Norden Benins.

Durch die Augen von Frauen

In einem unscheinbaren Wohnhaus in Parakou fällt Synchronklappe Nummer 17. Gedreht wird eine zentrale und besonders schwierige Szene: Auf dem Bett liegt eine junge Frau, die feststellt, dass sie inkontinent ist. Es ist die Folge einer Fistel im Genitalbereich. Davon sind weltweit rund zwei Millionen Frauen betroffen, meist auf dem afrikanischen Kontinent. In der Geschichte ist eine Fehlgeburt dafür verantwortlich. Die Hauptfigur, die Malaïka heißt, wurde gegen ihren Willen und als Minderjährige verheiratet. Für eine Schwangerschaft war ihr Körper noch gar nicht bereit. Die gesundheitlichen Folgen sind ebenso fatal wie die daraus folgende gesellschaftliche Stigmatisierung.

Porträtaufnahme von Maïmouna Garba
Maïmouna Garba sieht ihre Zukunft in der Filmbranche und sagt: "Cornélia ist unsere Superheldin"Bild: Katrin Gänsler

Eine der Teilnehmerinnen ist Maïmouna Garba, die aus dem Nachbarland Niger kommt. Mehrmonatige Ausbildungsmöglichkeiten wie diese sind selten, und die 24-Jährige ist begeistert:  "Mit den anderen Teilnehmerinnen verbringe ich eine unglaublich tolle Zeit, die ich nie vergessen werde. Es ist fantastisch." Die zehn jungen Frauen sind für alles selbst verantwortlich. Jede hat zwei Szenen des Drehbuchs geschrieben. Sie müssen sich um Drehorte, Requisite, Ton und Kameraführung kümmern.

Raus aus der Opferrolle

Vor allem haben sie die Chance, aus ihrem Blickwinkel eine Geschichte zu erzählen, die ihnen wichtig ist. Es sind nicht immer die großen Krisen, die aus europäischer Sicht vorherrschend sind. Tatsächlich geht es um Alltagserfahrungen. Maïmouna Garba konnte das schon in früheren Filmprojekten in Niger erproben. "Gemeinsam mit anderen jungen Frauen wurde ich ausgewählt, um einen Dokumentarfilm über geschlechtsspezifische Gewalt zu drehen. Wir haben uns mit sexualisierter Belästigung in Schule und Arbeitswelt befasst. Anschließend wurde mein Film auf zwei Festivals gezeigt."

Für Cornélia Glele ist aber noch ein anderer Aspekt zentral: Frauen sind nicht bloß Opfer von Umständen, sondern können selbst handeln. "Man muss endlich aufhören, das arme Mädchen zu zeigen, das eines Tages den Prinzen trifft und reich wird, ohne selbst dafür etwas zu tun. Anschließend landet sie in der Küche, und er bringt das Geld nach Hause."

Engagement für ein selbstbestimmtes Leben

Rund um die Entstehung des Films "Malaïka" hat Cornélia Glele allerdings gemerkt, wie stark alte Rollenbilder bis heute verankert sind. Das gilt auch für junge Frauen, die sich selbst als Feministinnen bezeichnen. "Der erste Tag der Weiterbildung war sehr schwierig. Jemand sagte: Zu Hause bezahle ich keine Rechnungen. Das muss mein Mann machen. Eine andere fand: Es ist normal, dass der Mann nicht im Haushalt hilft. Er hat gar nicht das Recht, seinen Fuß in die Küche zu setzen. Ich mache die ganze Arbeit." Einen Monat lang haben sie immer wieder über Ansichten gesprochen und zunehmend Dinge hinterfragt.

Porträtaufnahme von Angèle Marie Hougbelo mit Brille und grünem Kleid
Angèle Marie Hougbelo, verheiratete Glele, ist stolz auf ihre TochterBild: Katrin Gänsler

Eine Frau wundert sich nicht über diese Hartnäckigkeit. Egal, ob bei der großen Eröffnungsfeier oder bei den Podiumsdiskussionen: Angèle Marie Hougbelo, verheiratete Glele, bliebt im Hintergrund, ist aber stets an der Seite ihrer Tochter. "Schon in der Grundschule hat sie protestiert, wenn ein kleines Mädchen gehänselt wurde. In der weiterführenden Schule hat sie sich bis zum Abitur für Sexualaufklärung eingesetzt." Ganz leicht sei das für die Mutter damals nicht gewesen: "Sie war überhaupt nicht mehr zu Hause, sondern ständig unterwegs, obwohl sie erst 17 war. Manchmal war ich besorgt und habe gehofft, dass ihr nichts passiert. Sie war in Bereichen unterwegs, die von Männern dominiert werden." 

Bescheidenheit statt Arroganz

Eins beeindruckt die Mutter besonders: die Geradlinigkeit ihrer Tochter. Sie verließ ein Unternehmen, weil es dort zu Belästigungen kam. Als beim ersten Internationalen Frauenfilmfestival (FIFF) 2019 die Veranstaltungspatin ausgetauscht werden sollte, weigerte sie sich standhaft und setzte sich durch. All das bringt Anerkennung. Besonders deutlich geworden sei diese während der Eröffnungsfeier. "Es war sehr emotional. Ich habe mich zwischendurch gefragt, wie es einem so jungen Menschen gelingt, so viele andere zu mobilisieren. Wie klappt das? Wenn ich dann anderen zuhöre, merke ich: Es hat es auch etwas mit meiner Erziehung zu tun", sagt Angèle Marie Hougbelo.

Festivalteilnehmerinnen sitzen bei einer Podiumsdiskussion auf weißen und orangefarbenen Stühlen. Vor dem orangefarbenen Festivalplakat steht eine Frau in blauem Kleid und spricht in ein Mikrofon
In Debatten wird über die Rolle von Frauen in Filmen ebenso gesprochen wie über FinanzierungsmöglichkeitenBild: Katrin Gänsler

Ihr Erziehungsmotto beschreibt Hougbelo so: Vor allem Mädchen brauchen eine gute Ausbildung, um finanziell unabhängig zu sein, und Erfolg darf nicht arrogant und überheblich machen. "Cornélia gelingt all das, weil sie bescheiden und den Menschen zugeneigt ist". Die Filmemacherin und Feministin hat unterdessen schon angekündigt, dass das FIFF auch 2026 wieder stattfinden soll. Vermutlich wird dann jedoch ein größerer Saal notwendig sein.